Klaps auf den Hintern

Bis vor wenigen Tagen fand ich, die #metoo-Debatte gehe mich nichts an. Ich meine, man kann doch in den meisten Fällen einfach „hören Sie bitte auf“ sagen oder davonlaufen. Dachte ich.

Dann hatte ich den Kunden C. aus E. am Telefon. Ich kenne ihn schon lange. Er ist Ü70, vielleicht sogar Ü80 und schwadroniert gerne über Politik. Er ist entschieden gegen Homosexualität und entschieden für den Papst. Ich höre ihm jeweils ein bisschen zu und sage möglichst wenig, schliesslich ist er ein Kunde.

Kunde C: „Und, Frau F., wie halten Sie es denn mit dieser #metoo-Sache? Finden Sie das gut, dass diese Frauen so ein Drama machen?“
Ich: „Ach, Herr C., sie wissen doch, dass ich meine Meinung zu solchen Sachen am Morgen beim Sekretariat abgebe.“
Herr C.: „Aber Frau F., wenn ich jetzt …, also ich meine, … also, das sollte ich Ihnen eigentlich gar nicht sagen, aber … wenn ich jetzt einer Frau einfach einen Klaps auf den Hintern gebe, das kann doch nicht so schlimm sein, oder?“
Ich: „…“

Hinterher sind mir ein halbes Dutzend adäquate Antworten eingefallen, zum Beispiel: „Das hätten Sie jetzt tatsächlich nicht zu mir sagen sollen.“ Oder: „Wie wäre es denn, wenn Sie einem Mann einen Klaps auf den Hintern geben würden?“ Aber im Moment war ich einfach nur platt.

Seither wünsche ich mir, dass gewisse Männer besser auf die Stimme ihres Anstands hören würden. Dass wir in einer Welt leben könnten, in der ein „hören Sie auf damit“ nie schlecht fürs Geschäft ist. Und ich glaube, ich werde bald irgendwo ein Schlagfertigkeitstraining starten.

16 Gedanken zu „Klaps auf den Hintern“

  1. Ja, sehr sehr merkwürdig, dass uns Frauen, die wir uns doch für emanzipiert halten (und es ja auch sind), in gewissen Momenten keine passende Antwort einfallen will. Stattdessen stellt sich eine Art innere Lähmung ein und das real stattgefundene Ereignis beschäftigt eine mehr als das bloße Reden darüber vermuten lassen würde.
    So ging es mir im Sommer, als ich meinem ehemaligen Englischlehrer mit seiner Frau begegnete. Das Gespräch steuerte in eine Richtung, die mich vermuten ließ, dass ich zu ihm nach Hause eingeladen werden sollte; ich war gerade dabei, hier eine Hürde einzubauen, um es nicht so weit kommen zu lassen, als er mir unvermittelt die Hand aufs Knie legte. Seine Frau saß daneben, ohne eine Miene zu verziehen. Ich kann kaum beschreiben, was in mir vorging und wie lange ich gebraucht habe, um mich angesichts dieses Ereignisses wieder ’neutral‘ zu fühlen.
    Die Fixierung auf eine soziale Beziehung mit den entsprechenden Anstandsregeln – man ohrfeigt keine Kunden oder Lehrer, auch keine ehemaligen, auch nicht verbal – führt dazu, dass frau sich nicht traut, eine solche Grenzüberschreitung deutlich abzuwehren [wobei die ’soziale Beziehung‘ in meinem Fall fast 50 Jahre her ist, was das Ganze noch skurriler macht].
    Aber ob man das als mangelnde Schlagfertigkeit auslegen kann, da bin ich mir nicht sicher. Denn im Allgemeinen mangelt es mir daran eigentlich nicht, zumindest nicht mit Worten.

  2. die debatte wird meines erachtens zu einseitig geführt. auch unter den frauen gibt`s ganz schöne „früchtchen“. die frau ist mitnichten immer das opfer.
    macht wurde/wird schon immer mißbraucht. es ist ganz gut, dass die frauen offen darüber reden. die männer in diesen postionen erlaubten sich doch deswegen all diese übergriffe, weil sie bisher alles unter den teppich kehren konnten. ich finde es erschreckend, wie viele arschlöcher es unter meinen geschlechtsgenossen gibt…

  3. REPLY:
    Die Debatte wird natürlich einseitig geführt … ich kann ja als Frau nicht aus der Sicht des Mannes sprechen … „die Frau ist mitnichten immer das Opfer“ wird sicher stimmen, aber zu meinen, sie habe in jedem Fall den Übergriff provoziert, herausgefordert oder gar gewollt, also bewusst und gezielt darauf hingewirkt, ist eine Unterstellung, die jeder Klärung den Boden entzieht.
    Männer sollen, wenn sie betroffen sind, ihre Erfahrung auch kundtun, da habe ich gar nichts dagegen. Ist ja ihre Sache, sich zu äußern. Zunächst mal wird es aber wohl bei einseitigen Äußerungen von jeder Seite bleiben, für mehr reicht es wohl nur in Einzelfällen, denn es setzt ein Bewusstsein der Situation auf beiden Seiten voraus. Auch das ist mir schon begegnet, und das ist gut so, sonst wäre es ja zum Heulen.

  4. REPLY:
    frauen bleiben frauen, und männer männer. ein jeder kämpft mit seinen waffen bzw. fähigkeiten und mitteln. dabei werden oft regeln des anstands verletzt – sicherlich meist auf kosten der integrität von frauen. auch männer werden in ihrer ehre verletzt. von den vielen kindern ganz zu schweigen, welche die schwächste opfergruppe darstellen.
    immerhin gestehen manche männer ihr fehlverhalten ein. es kann mir doch keiner sagen, er wüsste nicht, was er tut. die männer, die sich aufgrund ihrer macht nehmen, was sie wollen, und das immer wieder, die frauen (und andere menschen) als objekte ansehen, mit denen sie spielen können, sind in meinen augen menschlich gesehen arme würstchen. dummerweise werden viele von dieser sorte mächtig – wahrscheinlich gerade wegen ihrer schlechten eigenschaften… in amerika wurde ein mann präsident, der frauen- und menschenverachtend auftritt. trump glaubt wirklich, er sei der absolute zambalo. und er wurde auch von frauen und sogar von schwarzen gewählt, was überhaupt für mich das erstaunlichste ist – dass die potentiellen opfer ihre potentiellen peiniger ins amt heben und verehren. okay, nicht alle, aber eben mehr als genug.
    ein ähnliches phänomen sehen wir in manchen ehen, wo frauen zu den männern, die sie schlagen und mißbrauchen freiwillig zurückkehren, nicht nur aus angst, sondern auch aus devoter verehrung…
    wo mächtige menschen agieren, trifft man ebenso auf unterwürfigkeit. die nazis konnten nur in einem volk an die macht kommen, in welchem der gedanke des untertans noch kultiviert war.
    ich wünsche mir mutige frauen und männer, die über ihre schatten springen und ihre rollen und ihr verhalten selbstkritisch reflektieren.
    wenn wir anstand und moral der kirche/religion oder dem staat überlassen, wird es schnell scheinheilig. ich glaube an das eigene gewissen und das gespür für moralisches und gutes handeln.

  5. REPLY:
    „ich wünsche mir mutige frauen und männer, die über ihre schatten springen und ihre rollen und ihr verhalten selbstkritisch reflektieren.“

    Das wünscht sich wohl jeder halbwegs vernünftige Mensch. Manche Erfahrungen muss man aber erst mal gemacht haben, um eine neue Richtung einschlagen zu können. Ich habe bis zu dem oben geschilderten Beispiel nur solche Situationen als zu aufdringlich erlebt, denen ich mich leicht ohne größere Konfrontation entziehen konnte (anzügliche Blicke, körperliche Annäherungen in der Bahn z.B.). Bis auf eine bedrohliche Begegnung im Neuenheimer Feld, die sich mit meiner jahrzehntelang geübten Strategie „Keine Angst zeigen“ abwenden ließ.

  6. REPLY:
    … merkwürdige Geschichte mit Ihrem Englischlehrer. Ich bin paradoxerweise fast erleichtert, dass andere Frauen diese lähmende Sprachlosigkeit auch kennen. Ich bin nie sonderlich schlagfertig gewesen, ich dachte schon, es liegt halt an mir.

    Sehr schlüssige Beschreibung dieser Fixierung auf Anstandsregeln, Frau iGing, vielen Dank.

  7. REPLY:
    … ist wohl in vielen Fällen eine gute Strategie. Impliziert aber, dass man Angst hat. Was per se schon mal ein schlechtes Zeichen ist.

    Ich glaube, ich habe einen nur einzigen Übergriff erlebt, der mich wirklich geängstigt hat. Aber ein paar Gemeinheiten, die ins Sexuelle spielten. Machtmissbrauch hat viele Gesichter.

  8. REPLY:
    Auf dem Hintergrund dessen, was uns Frauen von Kind an erzählt wurde, wovor wir Angst haben müssten, ist es fast undenkbar, in bestimmten Situationen KEINE Angst zu haben. In der erwähnten Begegnung im Neuenheimer Feld schlotterten mir die Knie – zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben (den Ausdruck „mir schlotterten die Knie“ kannte ich bis dahin nur aus Romanen).
    Aber ich habe zwischenzeitlich auch bereits eine Gelegenheit genutzt, mich in eine klassische Angstsituation zu begeben und dabei der Angst entgegenzuwirken: Ich bin um Mitternacht mit dem Fahrrad vom Nachbardorf nach Hause gefahren. Die Devise, auf die ich mich gleichsam ‚programmiert‘ hatte, lautete: „Ich fahre jetzt beständig einfach nur geradeaus und lasse mich durch nichts beirren.“ Tatsächlich begegnete mir ein Mensch, der zu Fuß unterwegs war. Die Erfahrung, dass der so wenig von mir wollte wie ich von ihm, war geradezu bereichernd.

  9. REPLY:
    … was freilich auch schief gehen kann.
    besser man ist an manchen orten zu gewissen uhrzeiten nicht. auch als mann.
    erfahrungen zu machen, ist ganz wichtig im leben, auch dass man sie überlebt, und die erfahrungen nicht zu traumatischen erlebnissen werden.
    eigentlich haben wir selbst ohne einschneidende erfahrungen genügend gehirnschmalz als „erwachsene“, um unser verhalten rational wie moralisch kritisch zu hinterfragen. leider machen wir`s nicht immer ausreichend, denn offenbar gibt es noch andere triebe/mächte/dämonen, die unser verhalten beeinflussen.

  10. REPLY:
    Da gebe ich dir zumindest teilweise recht; man muss das Schicksal nicht mutwillig herausfordern. Das ist aber immer noch etwas Anderes als sich bewusst einer Situation zu stellen – sei es, dass sie unausweichlich ist, sei es, dass man sie sich selbst ausgesucht hat. Ich weiß von vielen Frauen hier im Dorf, dass sie im Dunkeln nicht mehr allein aus dem Haus gehen (was im Winter ja schon recht früh ist). Das wäre für mich eine nicht hinnehmbare Einschränkung meiner Lebensqualität.

  11. REPLY:
    es gibt freilich frauen, die ihre ängstlichkeit kultivieren, weil sie glauben, die gehöre zur rolle der frau.
    und wir männer sind gleichzeitig beschützer und bedrohung…

  12. REPLY:
    … vorstellen, im Dunkeln nicht allein aus dem Haus gehen zu können. Eine Zeitlang habe ich sogar Schicht gearbeitet und kam jeweils so um Mitternacht aus dem Betrieb. Hätte ich mich da nicht alleine auf die Strasse getraut, hätte ich wohl meine Stelle verloren. Ich muss aber sagen, dass wir hierzulande diesbezüglich ausgesprochen sicher leben. Und ich weiss nicht, wie ich mich fühlen würde, wenn mein Nachhauseweg von einem finsteren Dorf zum nächsten durch den Wald führen würde.

    Mir haben die Knie einmal im Leben geschlottert: Als ich bei einer steilen Abfahrt mit dem Fahrrad aus einer Kurve sauste und beinahe in ein eben auf die Strasse fahrendes Auto gedonnert wäre. Ich konnte gerade noch ausweichen, aber es war sehr knapp.

    Zur Frage, wie weit man das Schicksal herausfordern soll: Ich glaube, das hängt von den damit verbundenen Risiken zusammen. Die muss man abschätzen können, bevor man sich aus dem Fenster lehnt, denke ich. Für mich heisst „das Schicksal herausfordern“ schon eine Wanderung abseits von öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen (wegen Schwindelgefahr). Ich tue es trotzdem, immer mal wieder ein bisschen.

  13. REPLY:
    Und das finde ich ausgesprochen gut, obwohl auch Ihnen ja niemand garantieren kann, dass nicht vielleicht bei genau so einer Gelegenheit der Schwindelteufel zuschlägt.

  14. REPLY:
    ja, der angstkrankheit sollte man durch solche kleinen herausforderungen im alltag entgegenwirken. meine mutter hatte die angstkrankheit im zuge einer depression, und das war wirklich schlimm…

  15. REPLY:
    … ist ganz furchtbar. Ich habe noch nicht ganz gelernt, wie man sie besiegt, und ob sie Auslöser oder Folge einer Depression ist. Aber ganz bestimmt war das für Dich als Sohn schwierig.

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