Bitte, bitte keine Mundschutzmasken

Im Internet gibt es herzige Anleitungen für selbst gemachte Atemmasken. Wenn ich das sehe, bekomme ich als Schwerhörige leichte Panik. (Quelle: smarticular.net).

Als Schwerhörige Ü50 denkt man ja, so ein Lockdown könne einem nicht viel nehmen. Unsere wilden Partyjahre sind vorbei. Wir haben längst gelernt, dass man auch wichtige Dinge notfalls per WhatsApp oder E-Mail sagen kann. Nur Gelassenheit kann es bringen, dachte ich. Als meine Coiffeuse unseren Termin strich, dachte ich: Naja, ich muss im Moment ja auch nicht ständig meine Frisur herzeigen. Als ich merkte, dass Konversationen über zwei Meter Abstand für mich eine ziemliche Herausforderung sind, zuckte ich mit den Achseln. Als mir die Assistentin unseres Hausarztes sagte, dass ich nur – und wirklich nur – telefonisch mit dem Hausarzt Kontakt aufnehmen kann, war ich leicht verärgert.

Vor zwei Tagen erlitt ich dann einen richtigen Schock, als ich beim Ohrenarzt war. Ich war ja unbesorgt hingegangen, ich hatte nur ein Ekzem im Gehörgang. Ich habe das auch schon gehabt, es kommt vom Hörgerätetragen. Ich musste bloss zum Arzt, um es mir bestätigen zu lassen und neue Medikamente zu holen. Das Problem war: Der Ohrenarzt trug einen Mundschutz. Klar, es ist zwingend, dass Ärztinnen und Ärzte mitten in der Corona-Krise eine Maske tragen. Ich weiss das und finde das ok. Ich muss jetzt aber einfach trotzdem sagen: Ich verstand nicht, was er zu mir sagte. Einfach nicht. Auch als er mich beim dritten Mal anschrie, verstand ich nur Satzfetzen.

Gott sei Dank wusste ich schon, was ich im Gehörgang habe. Der Arzt brauchte im Grunde nur mit dem Kopf zu nicken und mir das richtige Medikament mit dem richtigen Dosierungskleber mitzugeben. Trotzdem: Meine Panik flaute nur sehr langsam ab. Ich musste an die Bewohner von Betagtenzentren denken, die oft schwerhörig sind und nun Tag und Nacht von Frauen und Männern mit Mundschutz umsorgt werden. Kann man da überhaupt noch von «umsorgen» sprechen? Und was passiert, wenn ich Covid-19 komme und ins Spital muss? Ich will gar nicht dran denken.

Ja, in der Medizin braucht das Personal im Moment dieses Masken. Aber brauchen wir sie im Alltag nun alle? Täglich taucht in den Medien irgendwo diese Frage auf. Auf YouTube gibt es herzige Anleitungen, wie man die Dinger selber näht. Zum Beispiel Hier. Ab und zu äussert sich Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit zur Mundschutz-Frage. «10vor10» sagte er am 27. März: «Wenn man Masken trägt, hat man das Gefühl, man sei besser geschützt. Und es führt wahrscheinlich dazu, dass gewisse Leute andere Vorsichtsmassnahmen weniger gut einhalten: dass man die Hände weniger wäscht, sich vielleicht mehr an die Maske und ins Gesicht fasst und vor allem, dass man Distanzen nicht einhält. Das Distanzhalten ist aber nach wie vor der bessere Schutz.» (Quelle: hier. Schwerhörige erwähnt er nicht, aber die Botschaft ist klar genug. Danke, Herr Koch!

Ich verstehe ja, dass viele als kreative Antwort auf die Krise nun etwas Buntes nähen wollen. Mir wäre es aber lieber, die Leute würden raffinierte Kopfbedeckungen herstellen. Die werden wir bald sehr gut brauchen können. Wir können ja nicht mehr zum Coiffeur.

14 Gedanken zu „Bitte, bitte keine Mundschutzmasken“

  1. am besten nicht mehr atmen… nein, das ist freilich quatsch. die menschen wollen halt kreativ sein, was gar nicht so übel ist. und ich fände so eine bunte maske schön, bloß habe ich dafür genaugenommen keine verwendung. auch ist unklar, ob das tragen dieser dinger wirklich sinnhaftig ist. vielleicht für die nächste demonstration aufheben…
    ich kann deine ängste durchaus verstehen. bleibe also so gesund wie möglich. alle drehen momentan am rad – sogar menschen, bei denen man einen höheren iq erwarten würde – also ärzte, politiker, und andere die medienlandschaft durchseuchenden figuren.

    kopf hoch, liebe fraufrogg!

    1. Lieber Herr BoMa, vielen Dank für die ermunternden Bemerkungen. Ich muss sagen, insgesamt bin ich relativ gelassen. Aber es gibt Momente, da schlagen meine Emotionskurven aus. Ich stelle es mir so vor wie diese Ansteckungs-Grafiken, die man jetzt überall sieht. Manchmal schlägt die Wutkurve aus. Manchmal die Panikkurve. Heute aber: gelassen und ruhig. Ich hoffe, es geht Dir gut. Bleib gesund.

          1. Ach, das mit den Filmtipps war ein Understatement. Ich würde Dich eh vermissen, aber das sagt sich virtuell nicht so leicht 🙂

  2. wiedermal ein kommentar von mir im nirwana verschwunden. aber vielleicht hast du ihn doch gekriegt.
    siehste mal, mir geht es hier manchmal wie dir mit deiner schwerhörigkeit. nein, eher andersherum, ich weiß nie, ob meine kommentare auch bei dir ankommen…

    also kopf hoch!

  3. War mir nicht bewusst, wie fatal sich Mundschutzmasken auf die Kommunikation auswirken. Hier würde ich vom Gegenüber etwas mehr Sensibilität erwarten – und weniger ins Kraut schiessende Angst, gerade von einem Arzt. Kollidiert übrigens das Tragen der Maske nicht mit dem Vermummungsverbot? ;-)) Oder wurde dieses notverordnungsmässig aufgehoben?

    Klar, um aktiv Menschen zu schützen gibt sie in diesen Zeiten Sinn, die Mundschutzmaske, z.B. in der Pflege, die aus «sozialer Distanziertheit» nunmal nicht möglich ist. Aber um sich selber vor Ansteckung zu schützen, ist die Mundschutzmaske für die Katz. Hier würde eine Gasmaske helfen. Doch Gott bewahre …

    1. Ja, das Vermummungsverbot 😉 Sehr populär, wo ich herkomme. Der Ohrenarzt war wirklich sehr bedacht darauf, die Mundschutzmaske aufzubehalten. Bei einem HNO habe ich aber auch Verständnis dafür. Die sehen wahrscheinlich auch Leute mit untypischen Covid_19-Symptomen. Und in der Pflege ist es sicher auch zwingend, denke ich. Ich plädiere einfach dafür, dass die Situation bei ganz normalen Begegnungen mit dem korrekten 2-Meter-Abstand nicht noch unnötig schwieriger wird.

  4. Stimmt.Ich hatte am Mittwoch einen Zahnarzttermin. Meine Hörgeräte waren zu Hause. Von dem Gespräch über meine geplante Zahnbehandlung habe ich auch nur wenig mitbekommen, weil der Mundschutz im Weg war.

    1. Najaaaa, da würde es möglicherweise schon helfen, die Hörgeräte mitzunehmen, lieber Herr Lo. Wenigstens ein bisschen. 🙂 Bei mir helfen die halt im Moment nicht mehr wirklich. Der ganze Stress der letzten Wochen hat meinem Gehör den Rest gegeben. Ohne Hörgerät: gar nix mehr. Mit Hörgerät: viel Lärm, aber trotzdem wenig Sprachverständnis. Von daher: Tragen Sie Sorge zu Ihren Hörgeräten, Herr Lo.

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