Blog-Archäologie

Ich hatte ja geglaubt, die Ära der Blog-Stöckchen und Blog-Challenges sei vorbei. Aber Herr van der Ley vom Teppichhaus Trithemius hat einen Challenge lanciert, der mich just zu einem Zeitpunkt erwischt, da mein Interesse am Bloggen wieder stark zugenommen hat. Hier der Link.

Die Affiche ist, ein Faksimile seines ersten Blogbeitrags zu erstellen, seinen Namen zu erklären und seine Bloggergeschichte zu erzählen. Hier das Faksimile meines ersten Blogbeitrags auf twoday.net.

Beim Lesen dieser Zeilen spüre ich wieder, wie mir beim Schreiben leicht der Atem stockte. Als stünde ich auf einem Sprungbrett und blicke in die Tiefe. Was würde mich da draussen in der Bloggosphäre erwarten? Würde mich überhaupt jemand lesen?

Doch Halt! Das ist gar nicht mein erster Blogbeitrag. Meine Geschichte als Bloggerin begann auf MyTagebuch, im Februar 2002, glaube ich. Dort entdeckte ich das Online-Schreiben, es war als könnte ich plötzlich irgendwelchen Fremden im Zug mein Leben erzählen, wann immer ich wollte. Grossartig. Ich fand auf myTagebuch auch Freundinnen und Freunde, die ich sehr mochte: Ich erinnere mich an Pöt, noch online sind die Kätzerin, Hopkins, die Rote Zora. Sie wurden wie eine liebenswürdige Familie, irgendwo da draussen verstreut. Meine Beiträge aus jener Zeit sind verschwunden. Ein paar ausgedruckte Texte modern im Keller. Sie zu suchen – eine Aufgabe für lange Winterabende.

Warum ich auf twody.net wechselte? Ich weiss nicht mehr. Möglich ist, dass ich mich mit dem Gedanken des Bloggens als Erwerbsquelle liebäugelte und dachte, ich müsse auch noch andere Plattformen ausprobieren. Aber der Blog blieb für mich eine Spielwiese. Ein Reisetagebuch, nicht aus fernen Ländern, sondern die Berichte einer Flaneurin im Alltag, auch von meinen immer längeren Ausflügen ins Menière-Land, der Heimat meines Ohrenleidens. Auch auf twoday fand ich Freunde – mit Katiza, Barbara und la-mamma bin ich heute verbunden. Twoday.net aber geriet um 2016 in die Krise. Bloggen wurde unhip. Anfang 2018 sah es bei twoday.net nach Ende Gelände aus und ich stieg um auf WordPress. Ich muss gestehen, es war richtig traurig. Der ganze twoday-Zirkel fiel auseinander. Zum Glück nahmen mich die alten Freundinnen und Freunde von myTagebuch – auch sie gerade heimatlos geworden – mit offenen Armen wieder auf: Nell, die Kätzerin, Phoebeweather, Milou, Erinnye und all die anderen.

Facebook? Damit konnte ich mich nie richtig anfreunden. Twitter? Dort konsumiere ich News, sonst uninteressant. Instagram? Da habe ich etwa 600 Follower, aber die Fotografie interessiert mich nur zeitweise. Schreiben ist mein wahres Medium. Um es etwas hochtrabend zu sagen: Wenn ich schreibe, existiere ich.

22 Gedanken zu „Blog-Archäologie“

  1. Schöne Geschichte. Ich habe zur Jahrtausendwende mit einer eigenen Homepage begonnen. Irgendwann wurde sie mir zu aufwendig und im September 2010 begann ich, zunächst bei blogspot, mit dem Bloggen. Mein erster Eintrag steht immer noch dort. Neugier und die Lust, etwas Neues auszuprobieren, brachten mich zu WordPress. Und es sieht so aus, dass ich noch länger dort bleiben werde.

    Mit Twitter (Status: passive Nutzerin) verbinde ich eine Hassliebe. Der Rest der (a)sozialen Medien kann mir gestohlen bleiben.

    Liebe Grüsse aus Wien schicke ich Dir!

    1. Danke Dir Sori, (a)soziale Medien bringt es auf den Punkt. Es ist einfach ein anderes Lebensgefühl auf dem Blog. Freu mich drauf, Dich auch weiterhin zu lesen.

    1. Liebe Nell, danke herzlich für den Link! Das ist grossartig. Manchmal bin ich Sonntagmorgen etwas dröge drauf, und die Erinnerung an die Zeit damals hilft mir jetzt grad über ein kleines Tief!

  2. Da hat uns die liebe Nell ja ein archivarisches Füllhorn geöffnet! Ich hab gedacht, es kann nicht wahr sein! 🙂
    Ich freue mich aufrichtig darüber, daß Du mich mit einbezogen hast bei Deinen Favoriten von jetzt wie damals! Dito! 🙂
    Und wenn ich bitte nochmals so aufdringlich sein dürfte, Dich auf meine Antwort zu Deinem wie stets liebenswerten Kommentar hinzuweisen:
    https://katzerin327418940.wordpress.com/2021/04/08/petersiel-und-suppenkraut/#comments
    Ist allerdings nicht der einzige, ich glaub, davor die hast Du auch noch nicht lesen können.
    Ganz liebe Grüße von der edith. 🙂

    1. Viiiiielen Dank für den Link, liebe Edith! Ja, die Sache mit den Kommentaren. Ich lese Dich ja im Reader (kann ich allerdings nicht im Geschäft, so in der Mittagspause, daher relativ sporadisch). Da komme ich dann manchmal auf die Kommentare zurück. Aber ich entschuldige mich in aller Form dafür, dass ich dann manchmal nicht wieder zurückantworte. Das Leben geht mir einfach zu schnell in letzter Zeit.

    1. Ja, es ist bei mir ähnlich. Ich finde ja den tägliche Wust von Gefühlen und Gedanken sehr unübersichtlich. Manchmal spitzt sich dann ein bestimmter Gedanke zu einem Blogbeitrag zu. Dazu gehört oft ein Moment, der sich wie Inspiration anfühlt. So: „Ja, das ist es! Ja, das könnte funktionieren!“ Aber worin diese Inspiration genau besteht, und warum „es“ funktionieren könnte – ich weiss es nicht.

      1. ja, manchmal bin ich auch erstaunt über das schriftliche ergebnis… wie kam das denn jetzt zustande? da sieht man mal, was alles in einem steckt – was man aus den tiefen seines selbst hochholen kann, wenn man nicht zu gedankenverkleistert ist.

        1. Ja, es geht mir genauso. Ich denke, das Entstehenlassen oder vielleicht auch ein bisschen Nachforschen beim Schreiben ist ein wichtiger Aspekt.

          1. je nachdem, ob man gedichte oder prosa schreibt… legt man mehr schwerpunkte auf die gedankliche oder emotionale ebene. das funktioniert natürlich nur tendentiell. man kann weder seine gedanken noch seine gefühle beim schreiben ganz ausschalten.
            in der lyrik ist es mehr ein malen mit worten, während vorallem die längere prosa eine größere gedankliche auseinandersetzung fordert.
            ich will mich aber nicht mit solchen formalismen herumschlagen. das ging mir schon damals bei „twoday“ auf den keks.

          2. Die Formalismen bei twoday.net habe ich wohl zuerst ehrfürchtig befolgt und versucht, mich kurz zu fassen. Aber mich dann schliesslich doch nicht gross drum geschert. Ich glaube, das war bei Dir genauso, oder? Ausser am Angang, mit Hikmet. Was mir mehr zu denken gibt: Bei der Zeitung war meine übliche Berichtlänge zwischen 80 und 100 Zeilen (à 35 Anschläge). Und manchmal frage ich mich beim Bloggen, ob es mir nie gelungen ist, dieses Längenmass abzulegen.

  3. 600 Follower bei Instagram, wow! Ich sollte dich dort mal suchen und auch abonnieren 😉

    Ich schreibe seit 2001. Bin tatsächlich ein bisschen stolz darauf. 2001 hätte ich jedenfalls nicht gedacht, dass ich heute, 20 Jahre später, mit einem kleinen feinen Kreis der „Tagebüchler“ immer noch verbunden bin. Du gehörst auch dazu und ich freue mich 🙂

    Aber kannst du mir sagen, warum ich im Reader deine Beiträge nicht kommentieren kann?

    Viele Grüße und einen schönen Sonntag 🌸

    1. Liebe Milou, danke für Deinen Kommentar! 20 Jahre bloggen, das ist eine stolze Leistung. Bei mir ist es dann wohl nächstes Jahr soweit. Es ist schon spannend, jetzt aus Nells Archivfund ein paar repräsentative Beiträge von anno dazumal zu haben. Um zu erfahren, wie wir damals so drauf waren und was trotz allen „jugendlichen“ Krämpfen aus uns geworden ist.

      Ich schicke Dir per E-Mail meinen Instagram-Link, ich fotografiere unter meinem Klarnamen, den möchte ich nicht hier auf dem Blog. Obwohl Ihr den wohl alle mit der Mail bekommt (auch so ein Rätsel des Accounts, den Herr T. mir eingerichtet hat – ich selbst bin ja eigentlich zu dumm für WordPress). Fakt ist: Mein Mann hat einen alten, inaktiven und den neuen WordPress-Blog auf seine internet-versierte Art zusammengehängt, aber ich weiss ehrlicherweise nicht, wie die Reader-Funktion und der aktive Blog genau zusammenhängen. Deshalb geht wohl das Kommentieren aus dem Reader nicht.

  4. Sehr interessanter Text zum Hintergrund deiner Bloghistorie 😃👍 ich finde es sehr schön und beruhigend, dass dieses Phänomen nicht einfach verschütt gegangen ist, sondern immer weiter eine Renaissance erlebt 🙂

    1. Ja, das finde ich auch! Wir entdecken ja zum Glück immer auch wieder neue Blogger-Kolleginnen und -kollegen, mit denen wir etwas teilen können.

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