Frühling in Terrassien


Das Café in unserem Erdgeschoss heute Vormittag. Gegen Abend wird hier Hochbetrieb herrschen.

Zu den Glückseligkeiten unserer relativ neuen Wohnlage gehört das Café im Erdgeschoss. Als ich am Freitagabend von der Arbeit kam, fand ich dort an einem Tischchen auf dem Vorplatz schon den Buddha und den Doppelbuddha beim Bier. Ich nenne die beiden so, weil das Freitagabendbier mit den beiden, wenn es denn stattfindet, stets ein erheiterndes Ritual ist. Der Buddha hat ein pfiffiges Lächeln und viele Geheimnisse, von denen er selten eines preisgibt. Der Doppelbuddha hat ein warmes Grinsen, eine kräftige Stimme und treibt die Konversation voran, die nirgends hinführen muss, aber immer wieder von Gelächter unterbrochen wird.

Ja, ihr habt das richtig mitbekommen: Bei uns in der Schweiz sind die Gaststätten offen. Oder jedenfalls die Gaststätten-Terrassen, die Gartenrestaurants, die Tischchen auf den Vorplätzen. Ich fühle mich sonst nicht wohl in Restaurants, meistens kann ich den Gesprächen an einem Vierertisch nicht so recht folgen, und das verunsichert mich. Aber im Moment geht von diesen geöffneten Terrassen eine ungeheure Anziehungskraft aus. Ich würde mich bei diesem frühlingshaften Wetter wie der einsamste Mensch auf der Welt fühlen, wenn ich nicht irgendwann alle warnenden Stimmen in den lauen Frühlingswind schlagen und mich wenigstens für ein Stündchen auch in dieses Gartenbeizengetümmel stürzen könnte.

Ich habe die beiden Buddhas seit längerer Zeit nicht gesehen, und mich dünkt, der Doppelbuddha habe heute eine ungesund ins Bläuliche spielende Gesichtsfarbe. Seine kleine Firma hat in der Krise des letzten Jahres gelitten. Seine Partnerin arbeitet im Tourismus, und der Tourismus liegt bei uns seit bald 14 Monaten im Koma. Normalität wird hier – noch – mit Bundesgeldern aufrechterhalten. Wir sind ernster als sonst, trinken, diskutieren.

Und doch. Dieses eine Stündchen fühlt sich an wie richtiger Frühling.

7 Gedanken zu „Frühling in Terrassien“

    1. Nun ja, die Nachbarin im zweiten Stock klagt über den Lärm. Offenbar ist die Bude jeweils nachts bis in die Puppen belebt. Mir macht das nichts aus, ich nehme einfach die Hörgeräte raus. Und man kriegt dort, so heisst es, den besten Kaffee der Stadt.

    1. Das glaube ich! Es läuft hier unter allerhand Vorsichtsmassregeln, aber es hat schon etwas Befreiendes. Ich bin halt gespannt, wie es sich auf die Fallzahlen auswirkt, und einen Moment lang war mir am Abend dann doch ein bisschen bange.

        1. Ja, das denke ich auch. Bei uns heisst es jetzt auch immer wieder, unter freiem Himmel gäbe es fast keine Ansteckungen. Aber noch immer sind die Informationen, die man bekommt, widersprüchlich. Und ich frage mich, wie ein Fussballmatch in der Arena von Bergamo damals zum Superspreader-Event werden konnte, wenn unter freiem Himmel doch fast keine Ansteckungen passieren. Wir warten und hoffen das Beste.

Schreibe einen Kommentar zu Frau Frogg Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert