Da tanzen die Mäuse

Vor zwei Wochen brach Herr T. auf zur grossen Klimaspuren-Wanderung. Auf einem mehrwöchigen Fussmarsch durchquert er mit Kolleginnen und Kollegen die Schweiz. Er lernt, wie die Menschen im Land den Klimawandel erleben und was dieser noch mit uns machen wird. Hier schildert er seine Erlebnisse. Ich bleibe allein zu Hause. Tage vor seiner Abreise habe ich schlecht geschlafen. Herr T. ist mein Zuhause, mein zweites Nervenkleid und mein zweites Paar Ohren. „Wie werde ich es bloss ohne ihn schaffen?“ denke ich.

Sonntag, 30. Mai: Herr T. bricht auf. Ich gehe ins Büro. Obwohl ich mir geschworen habe, dass ich NICHT am Wochenende ins Büro gehen werde, wenn er weg ist. Ich habe Kollegen, die ihre Kräfte mit Sonntagsdiensten verschlissen haben und mit 60 vereinsamt und verbraucht waren. Aber ich habe eine Entschuldigung: extrem viel Arbeit, der Abstimmungskampf vom 13. Juni. Und ich bleibe nur 1 Stunde 50 Minuten. Später versuche ich, im Hof mit einer Nachbarin zu plaudern. Aber das geht nicht. Zu viel Hintergrundlärm. Zum Trost rufe ich meinen Freund English in Frankfurt an. Das geht ganz leidlich.

Montag, 31. Mai: Um 5.30 Uhr erwache ich mit einem schweren Schwindelanfall. Ich erspare Euch die Details. Um 9 Uhr kann ich wieder gehen und begebe mich ins Büro. Abends sehe ich mir ohne lange Diskussionen an, was ich will: Zwei Folgen von „The Serpent“ auf Netflix.

Dienstag, 1. Juni: Keine besonderen Vorkommnisse.

Mittwoch, 2. Juni: Um 12.35 Uhr ist meine zweite Covid-19-Impfung. Das Wetter ist beglückend. Am Abend bin ich bei Herrn und Frau Buddha zum Essen eingeladen. Es gibt Bratwürste und gute Laune.

Donnerstag, 3. Juni: Die zweite Impfung hat Folgen: Ich liege mit Fieber im Bett und lese „Rivers of London“ von David Aaronovitch. Ein spassiger Krimi mit sehr authentischem Londoner Englisch. Er fordert nicht allzu viel Konzentration. Es trifft sich gut, dass gerade Fronleichnam ist – ich hätte sowieso frei gehabt. Meinen Lunch-Termin mit dem Kollegen Felipe fällt allerdings ins Wasser.

Freitag, 4. Juni: Ich bin noch leicht angeschlagen und verkünde jedem, der es hören will, auch meinem Chef: „Heute mache ich Dienst nach Vorschrift.“ So habe ich früh Feierabend. Als Felipe mir ein Whatsapp schickt, bin ich bereit: Er sei jetzt gerade im Trendlokal in unserem Quartier, ob ich Lust auf ein Bier hätte. Ja, habe ich. Zum ersten Mal erlebe ich Post-Lockdown-Nachtleben an unserer Strasse. Ganze Heere junger Leute ziehen vorbei. Grossartig.

Samstag, 5. Juni: Ich treffe mich mit meiner Freundin, Paulina, im Café. Samstagmorgen bin ich meist etwas reizbar. Wir haben ein Zerwürfnis, das mich ziemlich aus der Bahn wirft. Abend bei Mahika, meiner Ex-Nachbarin, die aufs Land gezogen ist und direkt am Waldrand wohnt.

Sonntag, 6. Juni: Bei meinen Eltern. Als ich letztes Mal bei ihnen auf Besuch war, traf ich als erstes meinen Vater mit dem Besen in der Hand vor der Haustür. Das ist ein gutes Zeichen. Jetzt füttern die beiden mich mit Mittagessen und Liebe, als gäbe es kein Morgen. Am Abend muss ich ins Büro – mein Homeoffice funktioniert nicht, weil ich auf dem Notebook gerade kein Internet habe. Irgendetwas mit der RAS-Verbindung. Herr T. würde das im Handumdrehen in Ordnung bringen, aber alleine muss ich halt sehen, wo ich bleibe.

Montag, 7. Juni: Ein richtiges Post-Lockdown-Treffen. Mein Freund Andreaszwei hat schon im letzten Sommer ein neues Sofa gekauft. Aber ich konnte es nie besichtigen, wegen des Lockdown trafen wir uns nur draussen. Nun sind wir beide geimpft, er schon mehrere Wochen, und ich kann endlich bei ihm zu Hause probesitzen.

Dienstag, 8. Juni: Eine weitere Post-Lockdown-Party wäre angesagt, mit Kollegen, aber ich melde mich ab. Ich muss Wäsche waschen, nächste Woche fahren wir in die Ferien, dann brauche ich meine praktischste Hose.

Mittwoch, 9. Juni: Siedend heiss fällt mir ein, dass ich ein Abschiedsgeschenk für eine Kollegin basteln muss. Was soll ich bloss machen?! Ich kann doch gar nicht basteln. Ich erinnere mich aber, dass ich vor 40 Jahren häkeln konnte, und tatsächlich: Ich schaffe einen Pussyhat für einen kleinen Hasen aus Holz (mit sehr langen Ohren). Merke: Ich kann häkeln, verdammt nochmal!

Donnerstag, 10. Juni: Ich bin erschöpft vom ständigen Herumrennen und Plaudern. Abends falle ich aufs Sofa und sehe die letzten Folgen von „Delhi Crime“ auf Netflix. Empfehlenswert. Zwischendurch versöhne ich mich per Chat mit Paulina.

Freitag, 11. Juni: Der letzte Arbeitstag vor den Ferien. Ich bin erschöpft, glücklich und etwas schwindlig. Morgen kommt Herr T. nach Hause. Er wird viel zu erzählen haben. Ich auch.

5 Gedanken zu „Da tanzen die Mäuse“

  1. Liebe Frau Frogg,

    bitte verzeihe mir meine Aufmerksamkeit, aber mit den Daten hast Du es nicht so genau genommen. Äh, ich meine, schon an Fronleichnam ist da etwas durcheinander geraten.
    (Und ich Ungläubige weiss bis heute immer noch nicht, wofür dieser Feiertag gut ist, hatte ich ihn nie in Deutschland gehabt, aber Österreich ist halt ein (schein)heiliges Land.)

    Eine ganz tolle Sache, was Herr T. gemacht hat und ich habe vor kurzem eine Rechnung an eine Ökoschule nach Mäder geschickt.

    Ich wünsche Dir und Herrn T. schöne und erholsame Ferientage.

    1. Hu, danke für den Hinweis mit den Daten 😀 Ich kontrolliere das mal. Fronleichnam… ich weiss auch nicht, was das bedeutet, aber dann haben wir jeweils frei. Das ist die Hauptsache. Merci für die guten Wünsche ;-D

    2. 😀 „nicht so genau genommen* ist ja sehr höflich ausgedrückt. Ich war wirklich sehr müde, als ich das geschrieben habe. Das äussert sich bei mir immer in einer leichten Diskalkulie 😉 Ist jetzt angepasst.

    1. Danke, liebe Frau Juni! Ich hätte ja nie gedacht, dass mich eine solche Situation mal verunsichern würde. Ich habe jahrelang alleine gelebt. Aber es ging dann doch alles gut.

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