Rollende Steine

Ich sitze im Swisscom-Laden und warte auf mein neues Handy. Hier reden viele Leute durcheinander, und es klingt wie einem Aquarium. Und die Stimmen: wie rollende Steine. Rollende Steine in einem Aquarium. Bescheuerte Metapher. Ich sitze da und suche nach Wörtern, um auszudrücken, wie sich das anhört, diese Schwerhörigkeit. Später im Bahnhof: Da hat rückt jemand aber ein grosses Möbelstück herum! Ach, nein, das ist eine Lautsprecherdurchsage. Wohlgemerkt, ich trage topmoderne, leistungsstarke Hörgeräte, die mich vor zwei Jahren noch total glücklich gemacht haben.

Ihr müsst mich nicht trösten und mir keine guten Ratschläge geben. Man kann mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit leben. Sie ist einfach ein verdammtes Ärgernis. Sie ist für mich alltäglich geworden, wenn auch nicht normal. Normal wird das nie sein. Ich habe Schwankungen, manchmal geht es so gut wie vor zwei Jahren. Aber jede Kleinigkeit lässt meine Ohren schwächeln – so eine Pandemie zum Beispiel, oder ein Hochwasser oder auch nur eine Ferienreise.

Letzten Oktober habe ich eine Abklärung für ein Cochlea-Implantat gemacht. 40 Minuten Hörtests, oft ohne Hörgeräte. Die Audiologin sagte: „Ist anstrengend, oder?“ Ich nickte: „Ja, weil es so leise ist.“ Sie: „Ja, und für mich ist es anstrengend, weil es so laut ist.“ Und das war an einem verflixt guten Tag.

Später sagte die Ärztin: „Nun jaaaa, Sie sind ein Grenzfall. Ich weiss nicht, wie viel wir wirklich herausholen können bei Ihrem Gehörverlust. Sie hören fast noch zu gut. Unterschätzen Sie nicht, dass es doch ein recht aufwändiger Eingriff ist und das alles viel Zeit braucht. Warten Sie besser noch eine Weile ab.“

Im Moment bin ich nicht sicher, ob diese Weile jetzt vorbei ist.

6 Gedanken zu „Rollende Steine“

  1. Wie hoch ist das Operationsrisiko, könntest du ganz taub dabei werden? Aber ich bin mir sicher, du hast die Risiken abgecheckt. Für mich wäre nicht hören können schlimmer, als nicht sehen. Denn Menschen sprechen sehen und nichts mitbekommen stelle ich mir schwer vor.

    1. Danke für Deinen Kommentar. Ja, soweit ich weiss, ist das Restgehör auf dem Ohr dann weg. Wenn das CI nicht funktioniert, bin ich also gehörlos, zumindest auf dem rechten Ohr, aber da höre ich sowieso nur noch um die 6 Prozent. Links habe ich noch sowas wie ein Restgehör. So gross ist der Unterschied nicht mehr. Menschen sprechen sehen und nichts hören ist eine verdammte Zumutung, das kann ich absolut bestätigen. Passiert mir immer, wenn ich die Hörgeräte rausnehme. Fast noch unangenhmer ist aber dieser Zustand, bei dem ich mit Hörgeräten die Leute zwar reden höre – aber nur noch Lärm höre, keine Laute. Rollende Steine eben.

  2. Liebe Frau Frogg,

    auf meinem linken Ohr bin ich fast taub und ich habe schon ziemlich viele unterschiedliche Meinungen zu einer möglichen CI-Operation gehört. („Wenn das rechte Ohr noch gut ist, kannst Du ja das linke dafür verwenden.“ vs. „Solange es noch mit den Hörgeräten geht, tu Dir das nicht an.“ O-Töne CI-Träger:innen! )
    Es ist ein schwerwiegender Eingriff. Wobei es halt nicht nur bei der OP bleibt, sondern auch um die Zeit danach geht. (Reha, Logopädie, Hörtraining.)

    Und wenn ich Deinen Beitrag richtig interpretiere, schwankt Dein Hörverlust. Das würde bedeuten, Du wärst nachher auf dem CI-Ohr komplett taub, solltest Du Dich für den Eingriff entscheiden.

    Liebe Grüsse aus dem sommerlichen Wien

    1. Ja, ich weiss, das Schwierigste scheint die Zeit danach zu sein. Das Hörtraining und so. Interessanterweise sagen aber alle Leute, die ich kenne, und die die OP gemacht haben, dass es ein Wunder ist. Wenn Du nachfragst, bekommst Du dann doch die eine oder andere Horrorstory zu hören. Aber ich könne Leute, die wirklich besser hören seither, man merkt es auch an ihrer Aussprache. Ich mach’s, wenn es soweit ist. Bei uns machen sie es gar nicht, solange mit Hörgeräten was zu erreichen ist.

      1. Mir ist bisher auch keine Person bekannt, die den Eingriff bereut hat. (Vor allem die, die im Laufe ihres Lebens ihr Gehör stückweise verloren haben.)
        Sollte ich einen Hörsturz bekommen und mein rechtes Ohr funktioniert nicht mehr so, wie es jetzt funktioniert, würde ich mich auch unters Messer legen.
        Aber der Gedanke daran, das Hören neu zu erlernen und vor allem meine geliebte Musik höchstwahrscheinlich nicht mehr so zu hören, wie ich sie bisher gehört habe, schreckt mich doch schon ab.

        1. Ja, das sind die beiden grossen Problemzonen des CI, ich sehe das auch so. Wobei: In Sachen Musik ist bei mir sowieso nichts mehr zu machen. Musik ist eine reine Zumutung für mich, schlimmer als organisierter Lärm.

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