Da zeichnete einer, er ist Psychologe, die Skizze oben auf ein Stück Papier. Die blauen Mannsgöggeli* links sind die Hörenden, die rote Figur rechts die schwerhörige Person. „Nehmen wir an, Du bist mit drei gut Hörenden zusammen an einem lärmigen Ort. Du verstehst nicht viel von dem, was sie sagen. Nun hast Du zwei Möglichkeiten. Du kannst entweder ständig nachfragen, damit Du auch am Gespräch teilnehmen kannst. Aber dann denken die anderen: ‚Gott, ist das anstrengend!‘ Sie werden Dich vielleicht für eine Nervensäge halten und ein bisschen früher gehen, weil sie genug haben von der Situation. Oder Du kannst so tun, als würdest Du das Wesentliche verstehen, im richtigen Moment lachen wie die anderen oder den Kopf schütteln – als schwerhörige Person hast Du herausgefunden, wie das funktioniert, auch wenn Du keine Ahnung hast, wovon sie reden. Dann denken die anderen: ‚Och, sie ist doch ganz ok und, hey, so schlimm ist es doch gar nicht mit ihrer Schwerhörigkeit‘. Nach aussen ist dann alles paletti, aber in Dir drin sieht es himmeltraurig aus.“ Er zeichnet drei waagrechte, rote Linien zwischen die Mannsgöggeli und unterbricht sie gleich wieder. „Das ist die Verbindung zwischen den Menschen, die in einer solchen Situation eigentlich entstehen würde. Aber bei Dir ist das einfach nicht möglich, egal, was Du machst. Man nennt es das Paradox der Schwerhörigkeit.“
Wir anderen beeilen uns, das jetzt ein bisschen zu negativ zu finden. Wir wenden hastig ein, es gäbe 1000 Trickli, solche Situationen doch irgendwie zur Zufriedenheit aller zu meistern. Aber im Grunde erkennen wir uns alle in diesem roten Mannsgöggeli wieder. Das Paradox der Schwerhörigkeit ist übrigens auch gut erforscht, hier ein ganzer Vortrag zum Thema.
Für Euch Hörende ist das natürlich auch keine gute Nachricht – Ihr wisst jetzt eigentlich nur, dass die Dinge mit uns Schwerhörigen manchmal nicht so sind wie sie aussehen. Was kann man da machen? Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Aber falls jemandem ein paar Trickli einfallen – bitte (und gerne auch als Kommentar).
*Schweizerdeutsch für Spielfiguren oder abstrakte Zeichnungen von Menschen.