Neun Stunden Zug fahren, die Reisetaschen ins Hotel stellen, zehn Minuten einer schnurgeraden Strasse entlanggehen – und dann stehen wir vor den Mauern der Stadt St. Malo. Mir klappt es den Mund auf vor Staunen. Ich habe mir ein Fischerdorf vorgestellt, goldener Sand, heitere, rotweisse Sonnenschirmchen. Oder vielleicht windschiefe Korsarenhütten. Nicht diese aristokratische Strenge. Rundum Schiffe, weiter hinten das Meer, oh, das Meer! Die Felsen, der Sand, okker-grau. Der Wind, der uns in die Kleider fährt.
Alles so neu, so aufregend, ich will alles sehen, alles erforschen, gleich jetzt. Aber da ist dieses heisse Sirren in meinem Kopf, mehr als Tinnitus, mehr als Müdigkeit, eine Warnung.
Hinter den Stadtmauern die Restaurants, wir lesen Speisekarten, sieben Jahre Französisch-Unterricht und ich verstehe mehrheitlich Bahnhof, Herr T. lotst mich ins Châteaubriand, ein Bistro mit erschwinglichen Preisen in einem kleinen Palast und bestellte weltmännisch moûles frîtes. „Seltsam, dass es die jetzt schon gibt, man sollte sie nur in Monaten mit einem ‚r‘ essen“, sagt er, aber da spachteln wir schon herzhaft, die frites sind dünn und knusprig, die moules noch klein, und dazu ein Glas Weisswein.