Perros-Guirec: Die Soldaten von damals

Die 900-jährige Kirche St. Jacques steht mitten im Städtchen Perros-Guirec, ein kaum beachtetes, kleines Bijou. Rechts neben dem Portal der übliche Gedenkstein mit den Namen der im Ersten und Zweiten Weltkrieg verstorbenen Soldaten aus der Gegend. Früher glaubten wir, sie gingen uns nichts mehr an, diese Steine, die Kriege in Europa seien vorbei. Aber diesmal begann ich die eingravierten Namen zu zählen – es waren allein im Ersten Weltkrieg gegen 180, in einem Städtchen, das 1911 lediglich 3500 Einwohner zählte. Vielleicht gab mir das so zu denken, weil ich kurz zuvor bei Geert Mak ein eindrückliches Kapitel über den Ersten Weltkrieg gelesen hatte. Vielleicht, weil ich oft meinem 19-jährigen Gottenbub über die Armee, Putins Krieg und die Nato diskutiere.

Später streiften wir über Land und fanden das verträumte Kirchlein St. Quay Peros, mit einem Soldatenfriedhof, mitten in einem Dörfchen. Auch hier etwa 20 Namen auf dem Gedenkstein. Anfangs des 20. Jahrhunderts gab es hier sicher Familien mit neun bis zwölf Kindern. Aber hat man auch nur eines mit leichtem Herzen für’s Vaterland hergegeben? Auf den Steinen stehen Namen wie Désiré, Amédé, oder Aimée (ein Mädchen?). Ich sehe die Schatten dieser nie alt gewordenen Kinder durch das Dorf huschen, mit schalkhaften oder forschen oder unendlich verletzlichen Gesichtern, wie die Kleinen unserer Nachbarn im Hof.

Herr T mag es überhaupt nicht, wenn ich da so stehe. Er war selbst in der Armee – gegen seinen Willen. Er sagt, er finde jede Art von Militarismus daneben. Aber ich glaube nicht, dass ich Militaristin bin. Ich hoffe nur immer, dass sich dieser unerträgliche Widerspruch in mir auflöst, wenn ich nur lange genug dort stehe: dass ich fürchte, dass wir in Europa uns vielleicht gegen Putin wehren müssen. Und dass ich dafür kein einziges Menschenleben hergeben will.

12 Gedanken zu „Perros-Guirec: Die Soldaten von damals“

  1. ich studiere solche Gedenkstätten auch sehr oft. Traurig finde ich es, wenn sie in einem verlotterten Zustand sind. Habe mich auch schon mal bei einer Mairie beschwert, die sind dann sehr erschrocken und haben tifig reagiert. Ja es sind traurige Orte, und wenn sie noch einen Heroismus zelebrieren, furchtbar.

    1. Hallo Hotcha! Schön, wieder mal etwas von Dir zu lesen! Ja, Heroismus finde ich bei solchen Stätten auch nicht angebracht. Aber es ist sehr anständig von Dir, dass Du auch mal eine Mairie auf derlei Missstände aufmerksam gemacht hast! Diejenigen, die wir gesehen haben, waren alle nicht gerade gepützelt, aber in gutem Zustand. Ich glaube, nicht nur ich fange an, diese Dinge wieder anders zu sehen.

  2. Ich finde auch jede Art von Militarismus daneben. Als Kind hatte ich geglaubt, dass alle weiteren „Führer“ spätestens seit Adolf gelernt hätten, dass sich ein (Angriffs-)Krieg niemals lohnt und nicht gewonnen werden kann, weil man den Großteil der Menschheit auf immer und ewig gegen sich hat. Aber das war wohl eine kindlich-naive Vorstellung. Putin hatte wohl auch gedacht, dass diesmal alles anders wird und die Welt zwar zähneknirschend, aber dennoch seelenruhig zuschaut, wie er sich die Ukraine einverleibt.

    1. Ja, das ist durchaus möglich. Er soll ja gesagt haben: Der Westen ist schwach. Hoffen wir, dass wir da irgendwie die Kurve kriegen, selbst wenn Trump Präsident werden sollte.

      1. Die „Schwäche“ einer Demokratie im Vergleich zu einer Diktatur liegt darin, dass sie nicht fest-entschlossen genug ist. Westliche Länder WOLLEN nicht 5% ihres Bruttosozialproduktes für Verteidigung ausgeben. Die Russen sind mittlerweile schon bei einem mittleren zweistelligen Prozentsatz – die Bevölkerung ist dort wohl „leidensfähiger“ -, aber irgendwann KÖNNEN sie nicht mehr erhöhen.
        Diese Situation hat m.E. vor 35 Jahren zum Zusammenbruch der Sovietunion geführt: wenn beide Seiten in gleichem Umfang aufrüsten, dann geht dem Osten zuerst die Luft aus.

        1. Hallo Rabi, danke für Deinen Beitrag mit diesen interessanten Zahlen. Ich wollte mal selber nachgucken, habe aber für die Rüstungsausgaben von Russland 2023 nur 5,86 Prozent des BIP gefunden hier (Quelle: Handelsblatt.com). Hast Du eine andere? Ich finde 5 Prozent auch viel, die Diskussionen laufen aber bei uns auch in Richtung 5 Prozent. Das Parlament hadert mal wieder, wie wir das aufbringen sollen, oder anders gesagt: Wir wissen nicht, ob wir das jetzt wirklich wollen oder nicht, und da schliesse ich mich ein…

  3. Das mit den russischen Rüstungsausgaben war neulich in einer Nachrichtensendung. Vielleicht hatte ich das aber auch falsch interpretiert, als gesagt wurde, dass die russische Zivilbevölkerung wegen des Krieges auf vieles verzichten müsse.
    Wenn der Verteidigungs-Etat in Deutschland oder der Schweiz erhöht wird, muss das Geld natürlich an anderer Stelle eingespart werden. Den Reichen wird das egal sein; die gleichen das notfalls aus eigener Tasche aus; es ändert nicht ihr reales Leben. Es trifft hauptsächlich diejenigen, die sowieso schon wenig haben und es nicht ausgleichen können.

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