Schweizerdeutsch 2: „Hör mal!“

„Los emol!“

Heisst Hochdeutsch: „Hör mal!“
Verwandt mit Englisch „listen!“.
Erläuterungen: Meine Freundin Helga aus Deutschland arbeitete mehrere Jahre lang in der Schweiz. Dieses häufig geäusserte „los emol!“ habe sie in den ersten Wochen zutiefst verwirrt, erzählte sie mir einmal. In ihrem Dialekt heisse „loss emol“ eher so etwas wie „jetzt lass das mal los!“ oder „lass es einfach bleiben!“ Wir dagegen sagen ständig: „Los emol!“ – einfach, um die Aufmerksamkeit unseres Gegenübers zu wecken.

Edit: Helga schrieb mir gestern Abend noch ein Whatsapp über ihre ersten Tage mit diesem „los emol!“: „Jedesmal, wenn jemand etwas mit mir besprechen wollte und das mit ‚los emol!‘ einleitete, bin ich verwirrt weggegangen. Ich dachte, menno, diese Schweizer, immer, wenn man mal was besprechen will, wollen die in Ruhe gelassen werden. Und die Schweizer dachten: Typisch Deutsche, statt mal in Ruhe zuzuhören, hauen die einfach ab.“

In der neuen Rubrik „Schweizerdeutsch-Lektiönli“ schreibe ich in unregelmässigen Zeitabständen über Redensarten in der Schweiz – teils auch, um mögliche Missverständnisse zwischen Deutschen und Schweizer*innen auszuräumen. Ich tue es ohne System oder höhere didaktische Absicht. Kommentare jederzeit willkommen.

16 Gedanken zu „Schweizerdeutsch 2: „Hör mal!““

    1. Ja, da müsstest Du dann umlernen, wenn Du in die Schweiz kämst! Bei uns entspricht dieses „lass das mal“ (sofern es denn überhaupt jemand sagen will), eher dem „loos lo sii!“, und da ist das „o“ dasselbe wie in „los emol!“, ein offenes, aber halt einfach lang statt kurz.

      1. Eben hörte ich mich selbst etwas ganz Verblüffendes zu einem Kollegen sagen. Er wollte mir – schwer beladen mit allerhand Gepäck und Velohelm – netterweise die Bürotür offenhalten. Ich sagte: „Lach nome!“ Hat nichts mit „Lachen“ und schon gar nicht mit „Lachsen“ zu tun. Heisst einfach: „Lass nur.“ Mich so zu hören, stellte mich vor überraschende phonologische Probleme. „Lach nome!“ im Sinne von „Lass nur!“ wird minim anders ausgesprochen als „Lach nome!“ im Sinne von „Lach nur!“ Der Unterschied liegt, dünkt mich, in der Schärfe des Kehllauts, und da hätten wir dann zwei verschiedene „ch“-Phoneme (also Laute, die Bedeutungsunterschiede herbeiführen) wie es sie in keiner mir bekannten Sprache gibt. Also, der Kollege hielt mir die Tür trotzdem auf. Aber er sagte nicht: „Ich lache gar nicht!“ Ich vermute, dass er mich verstanden hat.

  1. Redensarten sind – wie das Wort schon sagt – gesprochene Worte, im Gegensatz zur offiziellen Schriftsprache. Da wird man innerhalb (Schweizer sagen: innert) von Deutschland auch nicht in jeder Region gleichermaßen verstanden.
    Wenn man „Los emol“ googelt, kommt man übrigens auf den Podcast der Basler Zeitung. Das deutsche Gegenstück „Hör mal“ ist eine Soundbuch-Reihe für Kinder, wo es also wirklich ums hören geht.

    1. Lieber Rabi, danke für Deinen Kommentar und den Hinweis auf den BaZ-Podcast. Den versuche ich mir gerne mal anzuhören! Für den Begriff „Redensart“ gibt’s auf Wikipedia eine Definition, auf die ich mich bei meinen Beiträgen stütze (https://de.wikipedia.org/wiki/Redensart).

      Beim Thema „offizielle Schriftsprache“ gibst Du mir freundlicherweise die Gelegenheit, ein in Deutschland weit verbreitetes Missverständnis auszuräumen: Schweizerdeutsch gibt es nicht als offizielle Schriftsprache. Die offizielle Schweizer Schriftsprache ist eine leicht an unsere Eigenheiten angepasste Form des Hochdeutschen. Auch bei uns gilt für die Rechtschreibung der Duden. So wird Schweizerdeutsch tatsächlich fast nur gesprochen (es gibt Leute, die Schweizerdeutsche Whatsapps schreiben, aber dazu vielleicht ein andermal).

      Die Präposition „innert“ ist bei uns tatsächlich in alltäglichem Gebrauch. Sie steht jedoch stets vor einer Zeitangabe („gänd Si bitte das Formular innert drissg Täg ab“). Nie vor der Umschreibung eines geografischen Raums. „Innerhalb von Deutschland“ heisst auf Schweizerdeutsch einfach „z’Tüütschland“.

      1. Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt: ich wusste schon, dass man in der Schweiz „normales“ Hochdeutsch schreibt, so wie du es ja auch tust.
        „z’Tüütschland“ wird doch bestimmt nur mündlich gesagt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in die NZZ schreiben würde „z’Tüütschland haben Züge oft Verspätung“

        1. Sorry, du hattest ja geschrieben „auf Schweizerdeutsch“; also kann es sich nicht um Geschriebenes handeln. Aber das Wort „innert“ wird doch auch geschrieben und nicht nur gesagt.

          1. Das wäre lustig! Die NZZ schriebe: „z’Tüütschland haben die Züge drei Stunden Verspätung!“ 😀 Ja, das Wort „innert“ wird auch geschrieben, eben im an unsere Verhältnisse angepassten Hochdeutsch.

    1. Oh, danke nömix! Sehr interessanter Input! Das wusste ich beides nicht. „Loser“ für die Ohren des Wildes, spricht man das mit einer kurzen oder langen „o“ aus?

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