Schweizerdeutsch 14: Fremdwörter sind Glückssache

Fondue-Öfchen, meist Rechaud genannt. Bei Gebrauch nimmt man den gelben Deckel unten ab, giesst Sprit in die Öffnung und zündet ihn an. Dann stellt man den Käse oben drauf und hält ihn so warm. (Bild: Galaxus.ch)

„Das esch ned mis Reschoo.“

Heisst auf Hochdeutsch: „Das ist nicht mein Rechaud.“ Wobei mit „Rechaud“ vermutlich ein Fondue-Öfeli gemeint ist. Die Redensart ahmt im Spott eine ungebildete Person nach, die eigentlich sagen will: „Das gehört nicht in mein Ressort.“ Oder: „Davon verstehe ich nichts.“ Oder, selbstironisch: „Fremdwörter sind Glückssache.“

Erläuterungen 1: Neulich schrieb ich in einem Whatsapp an eine Freundin das Wort „Misogynie“ mit zwei „Y“, also: „Mysogynie“. Als ich den Fehler bemerkte, war es mir erst furchtbar peinlich. Dann hörte ich Geiste das Gelächter meiner leider im letzten Sommer verstorbenen Freundin Reni. Sie war etwas älter als die anderen in unserer Jugendclique. Irgendetwas hatte ihrem Selbstvertrauen schon schwer zugesetzt, als sie zu uns stiess. Sie beschränkte sich im Leben auf kleine Ressorts und sagte zu allem anderen oft:  „Das esch ned mis Reschoo.“ Und dann lachte sie, ein Weltgelächter. Ich vermisse sie!

Erläuterungen 2: Wir leben gerade in einer Zeit, in der ein US-Medienunternehmer auch noch ein ganzes US-Ministerium zu seinen Rechauds zählen darf. Und jetzt masst er sich an, auch noch die europäische Politik zu seinem Rechaud zu erklären und giesst ungeheuerlich viel Sprit hinein. Ich fürchte, er setzt noch die ganze Stube in Brand!

15 Gedanken zu „Schweizerdeutsch 14: Fremdwörter sind Glückssache“

  1. Oh, ich bin froh, dass das einigermassen allgemeinverständlich ist! Herr T. fürchtete zunächst, das sei schon sehr um die Ecke gedacht. Aber, ja, diese Redensart gefällt mir auch sehr!

  2. Wenn du den letzten Absatz meinst, ich finde, das hast du schön ausgedrückt, aber schön ist das alles nicht. 🙈
    Also wir fürchten uns wirklich davor, aber glauben kann ich es nicht.

    1. Nein, schön ist das alles nicht! Auch wir in der Schweiz fürchten uns mit. Wenn es in Europa unschön wird, betrifft das ja auch uns in der Schweiz. Jeder, der das Gegenteil sagt, sollte einfach mal einen Blick auf die Karte Westeuropas werfen. Aber wir können alle wenig tun und hoffen auf einen glücklichen Wahlausgang in Deutschland.

  3. Ob mit Reschoo ursprünglich das Rechaud oder das Ressort gemeint ist … hmmm. Ressort ist wohl naheliegender. Hier sagt man „Das ist nicht mein Bier“, und da so ein Getränk näher am Fondue-Öfeli liegt, bin ich mir nun nicht mehr so sicher.

    Ich versuche normalerweise, Fremdwörter zu vermeiden. Zum einen zwecks Erhalt der deutschen Sprache, vor allem aber auch, weil ich nie sicher bin, ob alle Leser / Zuhörer sie verstehen. Schließlich will man Niemanden exkludieren (pardon: sozial ausschließen)

    1. Das ist nicht mein Bier, sagen wir auch. Aber mehr im Sinne von „das ist nicht mein Problem“ oder „damit will ich nichts zu tun haben“. Das mit den Fremdwörten sehe ich nicht so eng. Ich brauche gerne Wörter, die ich interessant oder adäquat finde. Sprache verändert sich sowieso, ob ich jetzt die Puristin spiele oder nicht.

  4. Ja, jede Sprache verändert sich im Laufe der Zeit. Mein Englisch ist wie aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, und ich verstehe Agatha Christie bestimmt besser als eine aktuelle Tageszeitung.
    Im Deutschen bekomme ich natürlich neue Wörter mit, auch wenn diese in meinen Ohren oftmals fremdartig klingen. Vor allem habe ich das Gefühl, dass politische Links- und Rechtsextreme oftmals sehr kreativ im Erfinden neuer Wörter sind (Stichwort: Unwort des Jahres).

  5. Statt „Klimaterrorismus“ würde ich eher „Klimatourismus“ zum Wort oder Unwort des Jahres nehmen.
    Irgendwas mit „Tourist“ geht immer, denn als Touristen könnte man ja alle Menschen bezeichnen, die – aus welchem Grunde auch immer – von A nach B reisen. Die Einen tun es, um zu sterben (2007 = Sterbetourismus), und andere, weil sie einer klimabedingten Naturkatastrophe entkommen wollen – und das sind dann die Klimatouristen.
    Unser Chef hatte sich immer aufgeregt, dass die Mitarbeiter wegen jeder einzelnen Fotokopie zum Fotokopierer gingen anstatt die zu kopierenden Belege zu sammeln und dann einmal am Tag zum Kopierer zu gehen. Er sprach daher von „Kopiertourismus“.

    1. Du hast ganz recht mit Deiner kritischen Betrachtung von „Tourismus“-Wörtern finde ich. Tourismus hat halt einfach diesen Beigeschmack von im Grunde unnötigem, oft etwas frivolem Reisen. Das dünkt mich für ein Unwort billig, vor allem, wenn es sich wiederholt. Überhaupt finde ich „Wörter des Jahres“ noch einigermassen vertretbar. Aber „Unwörter des Jahres“ neigen schon sehr dazu, ideologisch zu wirken.

  6. Apropos: Ich habe gerade im Videotext gelesen, dass heute in Deutschland das Unwort des Jahres gekürt wird (zur Auswahl stehen unter anderem „Menschenmaterial“ und „Biodeutsche“. Solche Unwörter sind ideologisch (oft: rechtsextrem) gefärbte Begriffe, die in die Alltagssprache eingedrungen sind.

  7. Nachtrag: „biodeutsch“ hat es zum Unwort des Jahres geschafft. = Soweit ich weiß, bin ich „Biodeutscher“, da alle meine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern Deutsche waren. Mehr Generationen muss man wohl nicht zurückverfolgen.
    Bist du auch „Bioschweizerin“ – sofern man den Begriff auch auf andere Länder übertragen kann.
    Bei Trump bin ich mir nicht sicher, ob er „Bioamerikaner“ ist; soviel ich weiß, hat der deutsche Vorfahren in nicht allzu fernen Generationen. Vielleicht wäre das ein Grund, seine Präsidentschaft anzufechten…

    1. „Biodeutsch“ halte ich in der Tat für sehr unsympathisches Wort, und auf die Schweiz übertragen wird es auch nicht besser. Weshalb ich lieber nicht einmal spekuliere, ob ich Bioschweizerin bin.

      1. Unwörter heißen wohl deshalb Unwörter, weil sie unsympathisch sind bzw. etwas Unsympathisches verharmlosen.

        „Biodeutsch“ habe ich allerdings noch nie gehört oder gelesen. Ich vermute daher, dass dieses Wort nur in bestimmten (rechtsradikalen?) Kreisen zirkuliert.

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