E chliine Chnopf
Hochdeutsch: Ein kleiner Knopf
Erläuterungen 1: Bezeichnet ein vielleicht dreijähriges Kind, das gehen kann und manchmal vorlaut niedliche Dinge sagt.
Erläuterungen 2: Am Sonntag war meine Mutter bei uns zu Besuch, zum ersten Mal seit Vaters Umzug ins Pflegeheim ist sie in Plauderlaune. „Über den Krieg weiss ich nicht mehr viel“, sagte sie, „ich habe ja Jahrgang 1942, damals war ich ’soone chliine Chnopf‘. Ich erinnere mich, dass wir nachts die Fenster verdunkeln mussten. Wegen mögliches Luftangriffe.“ Sie wuchs weit hinten in einem der grossen Zentralschweizer Alpentäler auf. Niemand sollte glauben, der Zweite Weltkrieg habe die Schweiz nicht wenigstens berührt. „Eines Nachmittags war ich in der Küche am Drüüradvelölifahren – wir hatten so eine grosse Küche. Da kam Vati die Treppe hoch, und da wusste ich, dass der Krieg zu Ende war.“ Er war als Hilfsdienstler auf dem Flugplatz Meiringen stationiert gewesen.
Drüüradvelöli – das wäre auf Hochdeutsch ein kleines Dreirad, ein Dreirädchen, oder? Sehr niedlich, der Ausdruck. 🙂
Ja, niedlich, fand ich auch! Ich selbst würde einfach „Drüürad“ sagen, aber für ein Kinderfahrrad sagt man normalerweise schon „Velöli“, im Gegensatz zum „Velo“, das Erwachsenengrösse hat.
Unser elterlicher Postwohn-Block hatte keine Rollläden an den Fenstern, dafür weiße doppelte Holzfensterrahmen, also mit je zwei Glasscheiben. Habe ich bis zu meinem Auszug immer putzen müssen. 🙈
Innen an den Fenstern hatten wir jahrelang zwei Vorhänge, nämlich den aus Stoff und dahinter einen Plastikvorhang aus Kriegszeiten: eine Seite weiß und eine schwarz. Damit wir es zum Schlafen auch wirklich schön dunkel hatten, war natürlich schwarz nach innen gekehrt.
Ihr wohntet in einem Postwohnblock?! Haben Deine Eltern denn bei der Post gearbeitet? Wie meine? Vorfenster, ja, das gab’s in der Wohnung meiner Grossmutter auch noch. Die musste man auch einmal im Jahr rausnehmen (ich zum Glück nie). Wir hatten früher Tagvorhänge aus weissem, durchsichtigem Gewebe und Nachtvorhänge, um das Licht von aussen zu blocken. Aber wenn Plastikvorhänge aus dem Krieg so lange hängenbleiben, das deutet schon darauf hin, dass die Ängste noch da waren, nicht?
Ja – der Vater hat bei der Bahn-Post gearbeitet, und einer meiner Brüder und ich auch, nur wir beide beim Fernmeldedienst.
Bist du auch in einem Postwohnblock aufgewachsen?
Tüllgardinen – stimmt, aber ich glaube, die hingen nur in den anderen Räumen.
Die Fenster waren tatsächlich alle zweiteilig, aber es wurden keine Vorfenster rausgehoben. Die wurden mit Riegeln zusammengehalten. Nur hat unser Vater hie und da die Rahmen abgeschmirgelt und frisch gestrichen.
Das waren neue Folien, nicht mehr vom Krieg. Und über verbliebene Ängste wurde nie geredet, dafür habe ich hinterher öfter vom Krieg geträumt. Aber ich glaube das war die Kindheit selbst, das brachiale Elternhaus, der Krieg. 🙈
Nein, ich bin nicht in einem Postwohnblock aufgewachsen. Das gab’s bei uns meines Wissens nicht. Aber es gab Post-Ferienwohnungen, die sich gewöhnlich im Haus der Post in einem Feriendorf befanden. Da konnte mein Vater zu sehr attraktiven Preisen eine Wohnung buchen, so dass wir immer in diesen Postwohnungen in den Ferien waren.
Ach, die Folien! Man konnte sich damals ja wirklich nicht drauf verlassen, dass kein neuer Krieg ausbrechen würde. Da war die Anschaffung neuer Folien vielleicht ganz vernünftig. Ich glaube, diese Gewissheit hatten wir nur in den Jahren zwischen 1990 und 2022. Ich habe schon von anderen Deutschen unserer Generation gehört, dass sie oft vom Krieg geträumt hätten. Das kenne ich von uns in der Schweiz nicht.