Gestern musste ich ein Computertomogramm machen, als Vorbereitung für das Cochlea-Implantat, das ich wohl so im Herbst bekommen werde. Bevor ich in die Röhre stieg, bereitete eine junge Frau mich vor: „Jetzt legen Sie alles ab, was Sie am Kopf haben. Dann müssen Sie sich hinlegen, ganz ruhig liegen und die Augen schliessen. Ich werde ihren Kopf fixieren. Sie dürfen während der Aufnahme auch nicht schlucken“, sagte sie.
Ich: „Muss ich auch die Hörgeräte herausnehmen?“ „Ja, auch die Hörgeräte.“
Ich: „Dann höre ich aber gar nichts mehr!“ Ich überlege einen Moment, dann bitte ich sie: „Könnten Sie mich zweimal mit dem Finger hier anstupsen, wenn ich nicht mehr schlucken darf?“ Ich zeige auf die äusserste Spitze meines rechten Beckenknochens. Sie: „Ok, das machen wir so. Wenn ich Sie anstupse, schlucken Sie zweimal, dann geht’s los.“
Ich lege also Hörgeräte und Brille weg, mich selbst auf den Schragen und mache die Augen zu. Sie fixiert ein Band an meinem Kopf, dann stupst sie mit dem Knie zweimal den Schemel, über den man auf die Liege steigt. Das merke ich, weil es die Liege schüttelt. Ist das jetzt das verabredete Zeichen? Das kann schon sein, denn eins habe ich gelernt: Wir Schlappohren können uns nie drauf verlassen, dass die Leute auch genau das tun werden, worum wir sie gebeten haben. Ich schlucke zur Sicherheit schon mal zweimal und halte mich still. Dann dauert es eine Weile, und ich möchte schlucken. Verdammt, ich möchte schlucken!
Da legt sie mir zweimal hintereinander eine Handbreit über dem Knie sanft zwei Finger aufs Bein. Ok, das ist das verabredete Zeichen. Nicht genau an der richtigen Stelle, aber es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Pedanterie. Ich schlucke zweimal wie eine Weltmeisterin, dann liege ich fünf Minuten in dem Summkonzert, das meine Welt ist, wenn ich die Augen schliesse. Ich denke nicht mal dran, dass ich vielleicht Lust haben könnte zu schlucken. Und dann ist schon alles vorbei.
Irgendwie finde ich es grausam, dass man nicht schlucken darf. Das ist ja fast so, als dürfte man nicht atmen.
Noch mal was Sprachliches: Du schreibst „Ich ziehe also Hörgeräte und Brille aus“. Das Wort „ausziehen“ finde ich in diesem Zusammenhang etwas lustig, weil man meines Erachtens nur Kledungsstücke (Hemd, Hose, Schuhe etc.) ausziehen kann. Ich würde hier eher „ablegen“ sagen.
Aber ich habe auch schon „Brille ausziehen“ von Deutschen gehört, und musste mich zurückhalten, um nicht zu lachen.
Hallo Rabi, danke Dir. Was die Brille betrifft, hast Du sicherlich recht – und um bei sprachbewusster Leserschaft Lachreflexe zu vermeiden, habe ich das jetzt im Text geändert. Bei den Hörgerärten beschreibt man mit „ausziehen“ aber ziemlich genau das, was man mit Hörgeräten macht: Man zieht die Hörteile aus dem Gehörgang. Bei meinen Geräten ist das jedenfalls so.
Ich finde, dass du deine Texte ruhig in der Ursprungsfassung lassen solltest. Denn wenn MIR eine Formulierung ungewöhnlich vorkommt, bedeutet das nicht, dass sie falsch ist.
Ich bin bei Bielefeld aufgewachsen und wohne jetzt in Bremen, und da werden auch Dinge gesagt, die man woanders nicht hört.
Bei den Hörgeräten würde ich sagen, dass man sie „herauszieht“, nämlich aus dem Ohr.
(Ich gehe in das Zimmer hinein bzw. aus dem Zimmer hinaus – und wenn es an der Tür klopft, sage ich „Herein“, weil der Draußenstehende hereinkommen soll; und wenn ich ihn wieder loswerden, dann muss ich „Hinaus“ sagen – aber die Leute sagen meistens „Raus“; das ist aber doch nicht richtig – oder???)