An meine Zürcher Leserinnen

Zürcherinnen und Zürcher würden „schlüüsse“ sagen, schrieb ich in meinem letzten Beitrag über den Befehl einer Dentalhygienikerin – und nicht „schliesse“ wie wir in Luzern. Sofort bekam ich zwei liebenswürdige, aber bestimmte Rückmeldungen von Zürcherinnen aus meiner Leserschaft. Einhellig gaben sie mir zu verstehen: Nie und nimmer würde jemand in Zürich sagen, man solle den Mund „schlüüsse“. Auch dort würde man „zuemache“ oder „zuetue“ sagen.

Ich habe mich sehr über die beiden Kommentare gefreut – die friedvolle, gemeinsame Wahrheitssuche gehört zu den Dingen, denen wir im Blog noch frönen können, anders als in gewissen sozialen Medien.

Ich war aber auch verunsichert. Das Wort „schlüüsse“ glaubte ich von meinem Eheman, dem Kulturflaneur, zu kennen, der Züritüütsch spricht. Ich fragte bei ihm nach. Er schimpfte geradezu: „Nein, natürlich sagt beim Zahnarzt kein Mensch ’schlüüsse‘!“ Er räumte aber ein: „An einer Sitzung würde ich sagen: ‚Mier beschlüüssed das jetz!'“ Ok, ich habe verstanden. Ich hoffe, ihr auch. Sonst bitte melden.

Und noch etwas: Zum ersten Mal habe ich in meinem letzten Beitrag vage Ressentiments angesprochen, die wir in der Schweiz mitunter jenen gegenüber haben, die einen anderen Dialekt sprechen als wir. Als ich die beiden  Kommentare meiner Zürcher Leserinnen las, wurde mir wieder einmal klar, wie dumm das ist. Ich gelobe hiermit, in Zukunft um dieses Thema einen weiten Bogen zu machen.

4 Gedanken zu „An meine Zürcher Leserinnen“

  1. Liebe Frau Frogg
    Danke für den Nachtrag. Auch ich schätze es sehr, in Ruhe, friedlich und auch mit etwas Humor den Dingen auf den Grund zu gehen. Schliesslich bin ich auch in Ihrem virtuellen Wohnzimmer. Mit der aktuell vorherrschenden „Empörungskultur“ kommen wir meiner Ansicht nach als Individuen und Gesellschaft nicht weit. Im Gegenteil sogar, wir schränken damit unsere Handlungsspielräume sehr stark ein. Aber das soll hier nicht das Thema sein.

    Was die Ressentiments betrifft, haben wir Zürcher vermutlich schon auch einen Beitrag dazu geleistet und wenn es nur dem Umstand geschuldet ist, dass es einwohnermässig der grösste Kanton ist. Vo nüt chunnt nüt 😉

    En schöne Sunntig no und villi sunnigi Grüess usem Züri Unterland
    Sani

    1. Ja, Deinen Humor habe ich sehr zu schätzen gewusst! Ich glaube, Grösse – flächen- und einwohnermässig – ist eher ein Nachteil, wenn’s im Ensemble der Dialekte gilt, gemocht zu werden. Auch ökonomische Stärke ist eher ein Handicap, jedenfalls am Anfang, später finden es dann alle cool, das hat mein Linguistikprofessor immer gesagt. Und dann gibt es ja Leute, die sehr breit und laut sprechen, die gibt es übrigens auch in Luzern, aber sie kommen irgendwie seltener im Fernsehen 🙂

  2. Ist diese „Empörungskultur“ auch in die Schweiz übergeschwappt? Ich dachte, das gäbe es nur (seit kurzem??) in Deutschland.

    Naja, hier gibt es auch Leute, die bestimmte Dialekte nicht mögen. Naja, man mag Walter Ulbricht oder Franz-Joself Strauß nicht gemocht haben, aber deshalb muss man ja nicht deren Dialekt doof finden. Ich finde, dass jeder Dialekt irgendwie seinen Charme hat.

    1. Nein, die ist nicht auf die Schweiz „übergeschwappt“. Als Kind hatte ich ein Witzbüchlein, das hiess „Der Schweizer Witz“, und alle Witze darin fussten auf irgendwelchen verbreiteten Klischees über die Bewohnerinnen und Bewohner verschiedener Deutschschweizer Regionen. Zum Beispiel, dass die Appenzeller klein sind oder die Berner langsam. Als Kind fand ich das lustig, aber als ich grösser wurde, fand ich’s eher blöd und habe es entsorgt.

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