Schweizerdeutsch 32: Ein jugendlicher Tunichtgut

Är esch em Tüüfel ab em Charre gheit

Standarddeutsch: Er ist dem Teufel von der Karre gefallen

Heisst: Er ist ein Tunichtigut. Meist verwenden wir es für unberechenbare, im Extremfall kleinkriminelle Jugendliche; in der Regel aber liebevoll oder mit einem „chli“ – ein wenig – abgeschwächt.

Quelle: zvab.com

Aus dem Manesse-Bändchen mit Schweizer Erzählungen will mein Vater ganz entschieden eine Geschichte von Ludwig Hohl vorgelesen bekommen: „Drei alte Weiber in einem Bergdorf“. Vater sitzt im Rollstuhl und lauscht dieser Schilderung dreier wirklich gruseliger Greisinnen. Verstehe einer meinen Vater! Er könnte einen Klassiker haben, Jeremias Gotthelf oder Gottfried Keller, aber nein, Ludwig Hohl muss es sein. Dabei wissen wir beide nicht einmal recht, wer Ludwig Hohl war. Ich zücke das Handy, konsultiere Wikipedia (hier) und lese vor: „Hatte zeitlebens ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern, … besuchte die Kantonsschule Frauenfeld, die er wegen des angeblich schlechten Einflusses auf seine Mitschüler vorzeitig verlassen musste. Als er in Zürich auch an der Handelsschule Minerva gescheitert war, verliess er sein Elternhaus und kehrte nie mehr zurück, … liess sich noch lange von den Eltern finanziell unterstützen.“ Ich schaue auf und schmunzle meinen Vater an: „Dä esch mäini chli em Tüüfel abem Charre gheit.“ Hohl wurde einer der bedeutendsten Schweizer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

8 Gedanken zu „Schweizerdeutsch 32: Ein jugendlicher Tunichtgut“

  1. Das Wort „gheit“ gibt es hier im Alemannischen auch, „naakeid“ – heruntergefallen.
    Ich kannte „keia“ früher auch im Schwäbischen, da kannte ich es aber nur als „werfen“. Ich war dann recht erstaunt, dass es hier eben nicht werfen bedeutet, sondern offenbar fallen. Ich dachte anfangs, die Leute würden sich herabwerfen oder sowas. Aber nach ner Google-Recherche gibt es das Wort inzwischen auch im Schwäbischen als „fallen“.

    1. Danke, Nell! Das ist ja spannend! Als ich ein Kind war, gab es diese seltsame Mehrdeutigkeit von „gheie“ bei uns auch noch (wenn ich mich richtig erinnere – ich habe gerade keine Zeit, das Idiotikon zu konsultieren). Man konnte – zum Beispiel beim Äpfelauflesen – sagen: „Du muesch dä Öpfel i Chorb inegheie.“ Du musst diesen Apfel in den Korb werfen. Heute hat aber „gheie“ nur noch die passive Bedeutung von „fallen“. Wir sagen: „abegheit“ für „hinuntergefallen“, aber „aberüere“ für „hinunterwerfen“. „Wärfe“ gibt’s bei uns nur als Lehnwort, zum Beispiel beim Sport: „Bälleliwärfe“ gleich Tennisballwerfen.

  2. Liebe Frau Frogg,

    in einem früheren Lektiönli-Beitrag wurde „stürchle“ erklärt und heute mit dem Wort „gheie“ verstehe ich nun das Lied „Schtürchle & Schtogle“ von Patent Ochsner besser!

    Merci vielmals für die sehr aufschlussreichen Beiträge!

    1. Das freut mich sehr, wenn meine Beiträge zum erweiterten Verständnis von Patent Ochsner beitragen! „Belpmoos“ war einer meiner Lieblingssongs! „Schtürchle und schtogle“ kenne ich leider nicht.

    1. Oh, köstlich! Bei „Dir hat’s ja ins Hirni geschissen!“ habe ich laut aufgelacht! Herr T. braucht das fast täglich, aber etwas derart Vulgäres würde ich hier nie bringen! 🙂

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