Schwerhörig: Dichtestress im Park

Frühlingsstimmung. Herr T. und ich spazieren auf der Allmend. Wir wollen gerade das Paar vor uns überholen und setzen zu einer nicht optimal koordinierten Richtungsänderung an. Da gellt von hinten eine Frauenstimme: „Achtung, Joggerin!“ Ich bin noch verdutzt, da schiesst schon eine Frau in roten Shorts zwischen uns nach vorne. Herr T. empfindet ihren Warnruf als Zumutung: „Sie kommt von hinten und will uns überholen. Sie soll gefälligst selbst dafür sorgen, dass sie ohne Rempelei an uns vorbeikommt!“ schimpft er.

Früher sah ich das genauso wie er. Ich empfand es als Übergriff, wenn zum Beispiel Radfahrer hinter mir mich mittels Klingeln aufforderten, gefälligst für sie vom Weg zu jucken. „Heute sehe ich das anders“, sage ich zu Herrn T. „Ich habe keine Chance mehr, Fahrräder zu hören. Ausserdem mache ich wegen meiner Gleichgewichtsstörungen zuweilen unerwartete Gehschlenker. Da ist es mir mittlerweile lieber, wenn Zweiradfahrer klingeln.“

Herr T. ist nicht restlos überzeugt. Und es stimmt ja: Ein Warnruf oder Klingeln allein erklärt noch nicht, ob die Person von hinten links oder rechts überholen will. Vor allem nicht denjenigen, die ein so schlechtes Richtungsgehör haben wie ich.

9 Gedanken zu „Schwerhörig: Dichtestress im Park“

  1. „Radfahrer sind eine Gefahr für die Menschheit“ ist immer mein Spruch. Es grenzt schon an ein Wunder, dass ich bisher noch nie unter die Räder gekommen oder zumindest angefahren worden bin.
    Jogger sind wenigstens nicht ganz so schnell – vielleicht mal abgesehen von meiner Schwester. Aber die läuft auch nur bei offiziellen Rennen, also auf abgetrennten Wegen ohne Fußgänger (sie hat am Wochenende mal wieder den 1. Platz in ihrer Altersklasse belegt)

    1. Oh, gratuliere Deiner Schwester zum Sieg! Sicher ist sie dann auch beim Trainieren kraftvoll genug unterwegs, um zu Fuss Gehende in einem weiten Bogen zu umrennen! Radfahrer … nun ja, ich bin viele Jahre selbst Rad gefahren und habe damals auch ein- oder zweimal Fehler gemacht. Ich glaube, es ist bei den Radfahrern wie bei den Hundehalterinnnen: Ein paar wenige machen die Reputation der ganzen Gruppe zunichte.

      1. Zu „… weiten Bogen zu umrennen“ fiel mir noch eine Sprachbesonderheit ein, auf die ich mal meinen deutsch-lernenden Nachhilfeschüler aufmerksam gemacht hatte: Sagt ein Radfahrer zu dem anderen: „Wir werden die Fußgänger umfahren“. Je nachdem, wie man das letzte Wort betont, gibt der Satz einen vollkommen anderen Sinn.

  2. Heikles Thema. Es bleibt aber festzuhalten, dass Radfahrende und Laufende mir sehr oft die Erholung während eines Waldspaziergangs vermiesen können. Besonders, seit viele auf den Elektrorädern trampeln. Ich kann nicht mehr in Ruhe und gedankenverloren meine Lieblingsstrecken abgehen, sondern fühle mich angespannt und abgehetzt, wenn oben genannte Leute an mir vorbeizischen.
    Da bleibt mir oft nur der Lainzer Tiergarten übrig. Da dürfen Radfahrende nicht hin, was ein Segen ist.

    1. Ah, ich sehe, dass ich nicht die einzige bin, die damit auf viel begangenen Wegen dann und wann Probleme hat. Am stressigsten finde ich Zweiräder, vor allem auch diese Trottinette mit E-Motor, die dazu noch oft von einem sehr rücksichtslosen Typus Mensch gefahren werden. Auch Menschen auf Fahrrädern können ganz schön stressen, je mehr E-Motor, desto heikler. Joggerinnen und Jogger stören mich normalerweise nicht. Aber ich habe durchaus den Eindruck, dass man als Fussgängerin in der Schule bald einen Kurs zur Verkehrsteilnahme absolvieren sollte, wie wir das beim Velofahren hatten. Inhalt: Welche Regeln und Pflichten gelten? Muss ich im 21. Jahrhundert nun tatsächlich immer einen Blick zurück werfen, wenn ich als Fussgängerin leicht die Richtung ändere? Und die Rad Fahrenden sollte man lehren: Es gibt Leute, die Euch nicht hören können! Seid rücksichtsvoll! Braucht die Klingel, und zwar schon dann, wenn ihr noch viel Abstand habt, damit die zu Fuss gehende Person einen Blick zurück werfen kann und sieht, in welche Richtung sie Euch ausweichen soll.

  3. Leider haben sich meine Fahrradtouren ebenso drastisch reduziert, wie alles andere auch. Fest steht, dass ich nie ein Fahrrad-Rowdy gewesen bin. Und dass ich mir kein E-Bike anschaffen werde, weil ich gedanklich inzwischen viel zu langsam geworden bin, außerdem möchte ich, dass das bisschen was ich noch radle, weiterhin zur körperlichen Ertüchtigung beitragen soll.
    Wenn ich von hinten auf eine Personengruppe zuradle, dann bimmele ich möglichst kaum hörbar, nur um niemanden zu erschrecken und mich nicht unbeliebt zu machen. Es soll aber gerade noch dazu reichen, dass ich wahrgenommen werde und niemand mehr zur Seite und damit vor mein Fahrrad springt, bis ich vorbeigezogen bin. An Hörgeschädigte habe ich allerdings bislang nie gedacht … 🙉
    Manchmal muss ich halblaut Entschuldigung rufen, damit man mir Platz macht, weil sich die Gruppe vielleicht allzu breit über den Weg gemacht hat. Dann bedanke ich mich auch recht gern hierfür. 🌝

    1. Oh, ich möchte niemandem das Radfahren madig machen, vor allem dann nicht, wenn es viel zur Erhaltung gesundheitlicher Kräfte beiträgt! Auch kenne ich Dich gut genug, um auf Anhieb zu glauben: Du bist eine sehr anständige und höfliche Radfahrerin, die auch mal Mühen auf sich nimmt, um keine zu Fuss Gehenden zu gefährden. Gestern habe ich eine sehr höfliche Frau auf einem Weg erlebt, der sowohl Rad- als auch Gehweg ist, und die wegen uns kurz den Fuss auf den Boden setzen musste. Wir hatten sie einfach nicht gehört und waren – wie es so unsere Art ist – ein bisschen auf dem Fussweg gekürvelt.

      Ich glaube wirklich, eines Tages gebe ich einen Leitfaden für Radfahrer- und Fussgängerinnen-Konflikte heraus.

  4. Ja – unter Absprache von Hörgeschädigten, eventuell auch im Verbund mit Nicht-Sehenden. Denn ich denke, auch dort gibt es einiges zu berücksichtigen. Also meine blinde Freundin Jacqueline aus Klagenfurt hat nämlich auch ihre Schwierigkeiten damit.

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