Das hed käi Iifloss of d’Vermehrig vo de Waudamäisi
Standarddeutsch: Das hat keinen Einfluss auf die Vermehrung der Waldameisen. Sinngemäss: Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, das hat keinerlei Auswirkung.
Herr T. und ich sind zu Besuch bei der alten Dame (89), meiner geliebten Freundin. Sie ist gebrechlich geworden und besorgt über die Weltlage. So viele Staaten üben gerade Gewalt aus, gegen ihre eigene Bevölkerung oder gegen jene unmittelbar benachbarter Territorien! Herr T. sagt, dass er die Produkte aus einem dieser Staaten boykottiere, schon seit einiger Zeit – Orangen zum Beispiel. Die alte Dame ist sofort besorgt, sie will doch alles richtig machen, schaut nach ihrer Obstschale und sagt zu mir, die direkt neben der Schale sitzt: „Schau mal auf das Label! Ist sie von dort?!“ Mir tut es bereits leid, dass wir sie verunsichert haben, und überhaupt ist das Label grün und ohne Länder-Herkunftsbezeichnung. Ich möchte sagen: „Mach Dir keine Sorgen wegen dieser einen Orange! Das hed käi Iifloss of d’Vermehrig vo de Waudamäisi.“ Das hat unsere Mutter jeweils zu uns Kindern gesagt, wenn wir etwas getan hatten, was vielleicht Auswirkungen hätte haben können, die wir nicht bedacht hatten. Aber nun bekam es plötzlich auch noch eine andere Bedeutung: Ich sah diese einzelne Orange einer alten Frau und mir wurde bewusst, wie erbärmlich gering unsere Einflussmöglichkeiten auf das Weltgeschehen sind.
Ja, erbärmlich gering, so sehe ich das auch!
Der Spruch mit den Waldameisen ist trotzdem saugut, ich sag den jetzt auch, übersetzt in unseren Slang und irgendwie ist er tröstlich bei nicht enden wollenden Krankheitsgeschichten, mit denen wir uns grad immer noch herumplagen…
eine weise Frau, Deine Mutter!
Liebe Grüße!
Ich richte meiner Mutter gerne aus, dass Du sie als weise Frau bezeichnet hast 🙂 Sie wird sich freuen, auch wenn sie meinen Blog nicht liest. Den Spruch mit den Waldameisen darfst Du gerne brauchen.
Er ist mir umso sinnfälliger seit der Ameisen-Invasion dieses Frühlings auf unserem Balkon und bis in unserer Wohnung. Ich versuchte zuerst, sie mit bio zu bekämpfen, wusch die Ameisenstrasse mit Essig weg, aber nach einer Viertelstunde war sie wieder da; ich bekämpfte die Biester mit Bio-Ködern, aber darin nisteten sie bald lustig. Dann spülte ich einen unserer grossen Blumentöpfe mit siedendheissem Wasser aus, aber einige von ihnen überlebten sogar das. Nun habe ich doch wieder zum Gift gegriffen. Es braucht schon viel, um die Vermehrung von Ameisen zu stoppen!
Da musste ich doch laut lachen, als ich den Satz mit den Waldameisen las. Als ich dann jedoch deinen Satz auf Schweizerdeutsch bei Google eingab, weil ich glaubte, das sei eine gebräuchliche Redensart in der Schweiz, da war ich doch überrascht: es gab nur einen einzigen Treffer – und zwar den Froggblog.
Graugans hat recht mit deiner weisen Mutter. Sie hat dir viele kluge Sprüche beigebracht, die du hier hin und wieder zitierst („Verschrei es nicht…“).
Wenn Jemand irgendwo im Wege steht, muss ich immer an deinen damaligen Eintrag über die Rum-Steher und Im-Wege-Steher denken (der mag schon 10 Jahre her sein, ist mir aber im Gedächtnis haften geblieben).
Ob es noch, in Zeiten des Insektensterbens, statthaft ist, so leichtfertig über die Ameise zu reden, ob nun im Schweizerland oder anderswo?
Das hat nichts mit Leichtfertigkeit zu tun, liebe Gerlinde. Es geht bei der Redensart ja darum, Kinder zu beschwichtigen und ihnen zu sagen, dass sie nicht an allem mitschuldig und für alles mitverantwortlich sind. Kinder denken ja oft, sie seien das. Im konkreten Fall ging es um eine sehr gebrechliche Frau, der ich gerne gesagt hätte, dass sie sich nicht über ihre Kräfte anstrengen sollte, denn sie kann ja die Verhältnisse im entfernten Land wohl nicht mehr ändern. Schon wir, die wir noch halbwegs im Saft sind, können es ja nicht.