Im Zug von Olten nach Yverdon fuhren wir im Speisewagen. In Biel/Bienne stieg ein Mann ins Nebenabteil und bestellte laut und mit breitestem Schweizerdeutschem Akzent „un café et un croissant.“ Er hätte auch „es Kafi Crème un es Gipfeli“ bestellen können, die Kellnerin verstand Schweizerdeutsch, wie wir kurz nach Olten festgestellt hatten. Da waren wir noch in der Deutschschweiz gewesen und es wäre uns gar nicht eingefallen, sie auf Französisch anzusprechen.
Der an der Sprachgrenze Zugestiegene aber tat es – wahrscheinlich, weil man in der Westschweiz von uns Deutschschweizer*innen meist erwartet, dass wir Französisch sprechen. Offizielle Begründung ist stets das Bemühen um den nationalen Zusammenhalt. Aber vielleicht denken einige Romand·e·s (so gendert es sich in der Westschweiz) auch, Französisch sei eigentlich die kultiviertere Sprache als Deutsch und sowieso Schweizerdeutsch, und sie würden mit ihrer Beharrlichkeit einen Beitrag zu unserer „civilisation“ leisten. Wahrscheinlich bereitet es einigen sogar diebisches Vergnügen, uns zuzuhören, wenn wir unsere Zungen unbeholfen um ihre für uns ungewohnten Laute wickeln. Sogar wir selbst nennen das, was bei diesem Bemühen herauskommt, selbstironisch „Français fédéral“.
Überhaupt ist es um dem nationalen Zusammenhalt in der Schweiz im Grunde nicht allzu idyllisch bestellt. Wären die Deutsch- und die Westschweiz ein Ehepaar, würde man wohl von einer Vernunftehe sprechen. Zwischen uns liegt der so genannte Röstigraben, in der Westschweiz gestreng „barriere de rösti“ genannt. Damit wollen wir sagen, dass es dies- und jenseits des Hindernisses aus geriebenen und gebratenen Kartoffeln beträchtliche kulturelle Unterschiede gibt.
Mit schöner Regelmässigkeit will irgendein Deutschschweizer Kanton das Frühfranzösisch abschaffen und somit das Prinzip, dass wir in der Schule Französisch als erste Fremdsprache lernen. Zuletzt passiert diesen Frühling im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Wie immer folgte der Aufschrei, „aber der nationale Zusammenhalt!“, unverzüglich und nicht nur in der Suisse romande. In der nationalen Politik bleibt die Zweisprachigkeit ohnehin Staatsräson (die dritte und vierte Landessprache lassen wir hier der Einfachheit halber weg). In der Privatwirtschaft jedoch ist bei der Zusammenarbeit über den Röstigraben hinweg nicht selten Englisch die Sprache der Wahl – es ist dann alles etwas unverkrampfter.
Dennoch, entschied ich im Zug: Wenn wir schon in der Suisse romande sind, werde ich mein Französisch trainieren – so gut wie der Herr im Nebenabteil kann ich es auch.
Ist ja auch wirklich schön, die französische Sprache. Ich bringe sie selbst auch gerne bei jeder Gelegenheit zum Erklingen – nun ja, zuweilen schepert es ein bisschen – und sei es nur, um etwas Weltläufigkeit vorzugauckeln …
Welcome back at home.
Welcome back at home. – Wie heißt das auf französisch?
«Bienvenue chez toi» oder «Bienvenue à la maison». Oder etwas gestöckelt: «Nous vous souhaitons la bienvenue chez vous, mesdames et messieurs.»
Danke, Werner! Ich hätte es nicht besser gekonnt. Die „gestöckelte“ Variante installiere ich mir zu Hause als automatische Ansage mit einer Stimme wie jene der Frau in den Schweizerischen Bundesbahnen, die jeweils die dreisprachigen Ansagen macht (KI kann das sicher). Sie erklingt dann jedesmal, wenn ich zu Hause Wohnungstür aufmache 🙂
Genau dort habe ich die gestöckelte Variante auch her: von der zweisprachigen Ansage in der S3 zwischen Olten und Porrentrui. Das Willkommen seinem Gegenüber wünschen, das können nur die Französischsprachigen …
Hallo piri, sorry, dass ich das erst jetzt beantworte. Erst später habe ich gemerkt, dass ich das ja als Willkommensgruss von Dir lesen könnte 🙂 Danke herzlich und „amicalement“!
Ja, sie ist schön! Während unserer Reise habe ich mich immer mal wieder gefreut darüber, wie melodiös sie ist. Eigentlich schade, dass wir uns in der Deutschschweiz damit so schwertun.
Woher weißt du denn, dass er nicht Franzose oder französischer Schweizer war? 🙂
Äh …, ich verstehe jetzt die Frage nicht ganz. Du weisst, was ein „allerbreitester Akzent“ ist, oder? Natürlich könnte der Mann einen französischen Pass oder Heimatort in Fribourg, Neuchâtel oder gar Genf gehabt haben. Aber er ist garantiert mit Schweizerdeutsch aufgewachsen und hat die meisten Zeit seines Lebens Schweizerdeutsch gesprochen. Das habe sogar ich mit meinem schwachen Gehör mit Sicherheit etablieren können. Dafür muss man nicht Professor Higgins sein!
Aaaah, alles klar! 😀