Unsere Ferienwohnung lag mitten in der Altstadt von Sion, an der Rue du Grand-Pont. „Ich frage mich, wo die grosse Brücke ist, nach der sie benannt ist“, sinnierte Herr T. Wir hatten auf dem Weg hierher nirgends eine gesehen. Mir war das nicht so wichtig. Ich war gerade dabei, mich in die Stadt zu verlieben. Vom Wallis hatte ich zuvor nur die Berge gekannt. Jetzt sah ich, dass es einen charakterstarken Kantonshauptort hat.

Wenige Schritte von unserer Wohnung entfernt: das Café La Grenette, wo wir uns gleich nach unserer Ankunft mit der gebotenen Vorsicht in eine Ruine von einem Sofa sinken liessen. Nach kurzem Zögern war ich hingerissen von dem Lokal. Es erinnert an die Genossenschaftsbeizen, von der es in der Deutschschweiz nur noch jene in Solothurn gibt. „La Grenette“ ist aber mehr. Es ist schrill, selbstironisch, manchmal ein wenig verstörend, frönt vergnügt der Gaukelei und Anspielungen an die frankofone Popkultur. Es ist, so steht es hingemalt an der Mauer beim Eingang: „Le Grand Café Grenette – Tripot clandestin depuis 1724; Vins, bières lièdes, Xylocéphalies en tous genres.“ Heisst: „Grand Café zur Markthalle – Heimliche Spielhölle seit 1724, Weine, Sauerbiere und Holzköpfigkeiten aller Art.“ Wir genehmigten uns in der Grenette abends öfter ein Glas Fendant – sogar der schmeckt dort feuriger als in der Deutschschweiz.

Prägend für das Stadtbild und eine Wucht sind die beiden Schlösser, die auf Hügeln östlich der Stadt thronen. Auf dem Valère steht eine 1000 Jahre alte, respektgebietende Basilika, noch dazu mit einer Orgel aus dem 14. oder 15. Jahrhundert. Der Bau diente im Mittelalter auch als Schutzburg für die Bevölkerung und hat sogar eine angebaute Getreidemühle. Auf dem Tourbillon residierte im Sommer der Bischof von Sion, einst Herrscher über die ganze Talschaft und gelegentlich im Kampf mit den Savoyern, deren Reich wenige Kilometer westlich von Sion begann.

Als wir weiter in der Altstadt umherstromerten, sah Herr T., warum die Hauptgasse dort Rue du Grand-Pont heisst: An ihrem unteren Ende quillt unter den Häusern hervor ein Flüsschen, die Sionne. Nun sahen wir: La rue du Grand Pont liegt nicht neben einer grossen Brücke, sie ist selbst eine und schätzungsweise 300 Meter lang. Mein Lieblingsort dort ist der Antiquitätenladen Thuriot Antiquaire. Dort entdeckte ich im Schaufenster eine quicklebendige Darstellung der Heiligen Barbara. Ich betrachtete sie jedesmal, wenn ich an ihr vorbeigung. Würde die Frau heute leben, dann würde sie kompetent eine Fachhochschul-Abteilung leiten. Auch bei höchster Sitzungsdichte wäre sie stets heiter, fair und gefasst – darin w¨ürde sich ihre Fähigkeit zeigen, Wunder zu wirken.
Unser Radius in Sion beschränkte sich weitgehend auf die Altstadt und den Bahnhof. Es war heiss wie in einem Backofen, zu heiss für Spaziergänge. Einmal sass ich im Schatten der Kathedrale, die ironischerweise „unserer Lieben Frau vom Gletscher“ gewidmet ist und dachte: „Wenn die Pizza, auf der ich hier sitze, fertig ist, wird uns die Sonne verschlingen.“ Etwas Abkühlung ist im Square de Mayennets zu haben, nahe beim Bahnhof. Dort gibt es Bäume, ein Becken mit kleinen Springbrunnen und in der Nordwestecke ein farbenprächtiges Wandbild von der Stadt.



Ach, das ist ja lustig! Ich war vor ein paar Tagen auch in Sion, auf der Durchreise, eher zufällig. Auch bei Gluthitze. Trotzdem bin ich auf den Tourbillon-Hügel gestiegen, oben wehte ein angenehmer Wind. Im Städtchen habe ich um 14-Null-Fünf Uhr versucht, etwas zu essen zu bekommen, was eher schwierig war. Die Crêperie mit einem äusserst freundlichen glutäugigen Kellner hat mich dann gerettet, die Weizencrêpe mit Marroni-Püree war ausgezeichnet. Einem weiteren Besuch steht nichts entgegen!
So cool! Auf den Tourbillon konnte ich leider nicht, wegen meiner Schwindelprobleme (kein Handlauf am Weg – die Bischöfe anno dazumal müssen fitte Typen gewesen sein). Aber mein Mann hat mir erzählt, wie es da oben aussieht. Und der Berg ist schon sehr eindrücklich.
War das die Crêperie oben an der Rue du Grand-Pont? Die habe ich sogar fotografiert. Aber ich musste mich nie retten lassen, wir hatten immer etwas zu Essen in der Wohnung 😉
das scheint ja wirklich ein allerliebester Ort zu sein! Das Café muß besucht werden, komme ich jemals dorthin!