Seit April gehe ich zweimal in der Woche zum 30 Minuten-Training ins Mrs Sporty. Ich weiss meist gar nicht mehr, weshalb ich damit angefangen habe. Ich merke einfach, dass es mir guttut. Das Lokal ist nur für Frauen. Man sieht dort sehnige Mädels, die sich wohl auf den nächsten Halbmarathon vorbereiten. Aber auch Bewegungsmuffel wie mich. Die Älteste, die ich dort getroffen habe, ist meine über 90jährige Nachbarin, die Kunstsinnige.
Geschenkt, dass ich von der Musik dort nur Gerassel höre. Geschenkt, dass ich es seltsam finde, meine individuell auf mich abgestimmten Übungen vor hochformatigen Bildschirmen zu machen und mir dabei wie in einem Spiegel zuzuschauen. Auf der oberen Hälfte des Bildschirms sieht man jeweils eine Vorturnerin, die zeigt, wie’s geht. Es sind unterschiedliche Frauen, echte Frauen, nicht KI, und sie schauen beim Vorturnen stets in eine unergründliche Ferne. Ich habe Spitznamen für sie: The Bitch (bei der einen Übung, die ich einfach nicht kann), the Witch (bei der Übung, die ich hasse) und die gestrenge Annette (so hiess meine Schwiegermutter selig). Mit Annettes Übungen habe ich mich arrangiert. Bei ihr bekomme ich fast immer auf eine ansprechende Punktzahl.
Es sind 16 Übungen, und eigentlich warte ich vor allem auf diesen einen Moment: dass mir ein Schweisstropfen von einer Haarsträhne an der Schläfe ins Gesicht rinnt. Das geschieht meist nach Übung 9. Ich liebe es, wenn ich spüre, wie mir der Körper Schweiss schluckweise durch die Poren pumpt.
Als der Sommer vorbei war und es kühler wurde, machte ich wieder öfter lange Spaziergänge. Da merkte ich wieder, weshalb ich überhaupt mit all dem angefangen habe: Wenn ich lange gehe, tun mir die Kniegelenke abartig weh. Früher spürte ich das bei jeder einzelnen Steigung, bei jeder verdammten Treppenstufe. Jetzt nur noch, wenn ich viel unterwegs bin oder wenn der Herbstwind um die Ecken pfeift.