Unser TGV aus der Bretagne schickte sich an, pünktlich um 13.19 Uhr in die Gare de Montparnasse in Paris zu rollen. Dort stand uns vorgestern der Wechsel an die Gare de Lyon bevor, wo unser Zug nach Basel um 14.22 Uhr abfahren sollte. „Taxi, Metro oder Bus?“ fragte Herr T.
Ich zögerte. Die Metro schien diesmal ungeeignet, zweimal umsteigen. Google.maps.com empfahl Bus Nummer 91. Er verbinde die beiden Bahnhöfe direkt, hiess es, und brauche für die Strecke 37 Minuten. Frau Frogg stellte sich einen Shuttle vor, nur für Touris und ohne Haltestellen und dachte: Diesmal kein Taxi. „Nehmen wir den Bus“, sagte sie. Herr T. kaufte uns schnell zwei Fahrkarten, direkt an der Bar des Zuges. Guter Service, dachte ich.
Kaum hatte der Zug seine Türen geöffnet, stürmten Dutzende Reisende mit Sack und Pack zum Bahnhofportal. Dort befinden sich links die Taxistände und rechts die Haltestelle für unseren Bus. Schon bald rückte weit hinten links, hinter den Taxiständen ein 91er-Bus in unser Gesichtsfeld. Mittlerweile hatten sich jedoch TGV-Passagiere zahlreich auf die wartenden Taxis gestürzt. Volle Autos drängelten auf die Fahrspur und versperrten dem Bus den Weg. Wir konnten ihn weit hinten gefühlte zehn Minuten im Stau stehen sehen. Frau Frogg’s Adrenalinspiegel stieg.
Endlich stand Bus Nummer 91 vor uns und öffnete seine Türen. Zahlreiche Reisende bugsierten ihre Koffer ins Fahrzeug und mussten noch Billette kaufen. Das Fahrzeug war rappelvoll und ein ganz normaler Stadtbus, mit zahllosen Haltestellen, an denen auch Pariser*innen mehr oder weniger gemütlich zu- und wieder ausstiegen. Wenn wir Zeit gehabt hätten, wäre die Fahrt ein Genuss für Flaneurin Frogg gewesen. Der Bus rumpelte von Rotlicht zu Rotlicht, von Haltestelle zu Haltestelle. Wir passierten das Café am Boulevard Montparnasse, in dem Herr T. und ich im Herbst 2022 etwas gegessen hatten und möglicherweise auch Ernest Hemingway’s Lieblingscafé. Aber für sowas hatte ich jetzt überhaupt keine Geduld! Mein Blick klebte an Herrn T.s Armbanduhr am Haltegriff vor meiner Nase.
Die Minuten verstrichen, der Zeiger rückte gegen 14 Uhr, dann weiter. Es war wie in einem Hitchcock-Film. Höhepunkt: Eine ältere, blinde Frau stieg zu, liebevoll geführt von einer anderen Frau, beide ahnten nichts von der Hochspannung unter den Reisenden im Bus. Bei der übernächsten Haltestelle stiegen sie wieder aus, im Zeitlupentempo, schien es mir. Ach Gott, dann verpassen wir halt den Zug, sagte ich mir. Dann verbringen wir vielleicht die Nacht in Paris, das ist doch nicht so schlimm! Aber ich wollte den Zug nicht verpassen. Ich wollte nach Hause.
Es war nach 14.10 Uhr, als der Fahrer vor der Gare de Lyon stoppte. Eine einheimische Mitpassagierin hatte Herrn T. zuvorkommend auf ihrem Handy die Nummer des Gleises gezeigt, auf dem unser TGV bereitstand. Soll nie mehr jemand behaupten, die Pariser*innen seien unfreundliche Leute!
Nun war höchste Eile angesagt. Denn die Gare de Lyon ist ein grosser Bahnhof, er hat drei Hallen, 2022 benützten ihn 102 Millionen Fahrgäste, und vorgestern waren es auch nicht wenige. Mit einem halben Dutzend anderen Touris bugsierten wir unser Gepäck ein schmales Treppchen hoch. Dann hetzten wir durch freitägliches Bahnhofsgedränge in die zweite Halle, wo unser TGV tatsächlich bereitstand. Wir fanden unseren Platz. Dann fuhr der Zug los.
Und, ja, nun sind wir wieder zu Hause, und ich werde ein bisschen von unserer Reise in die Bretagne erzählen.