Schloss Yverdon: Flucht vor dem Sturm

Zur Mittagszeit erreichten wir Yverdon am Westende des Neuenburgersees. Wir deponierten unsere Reisetaschen im Hotel und machten uns auf ins Städtchen, um das Schloss zu besichtigen. Herr T. war stets bemüht, meine Mittelalter-Obsession ein wenig zu dämpfen. Aber ein angekündigtes Gewitter schickte gerade dicke Wolken voraus. Das machte es mir leichter, ihn von der Notwendigkeit dieses Schlossbesuchs zu überzeugen. Giftige Windstösse und die ersten Regentropfen trieben uns unter seine Dächer.

Die Burg von Yverdon (Quelle: schweizerschloesser.ch)

 

Schloss Yverdon ist mit seinem typischen, nahezu quadratischen Grundriss und seinen runden Türmen ein perfektes Denkmal für die savoyische Ära in diesem Teil der Schweiz. Der Verkehrsknotenpunkt ging 1258 an die neuen Herren und lag an der Nordecke ihres Territoriums. Er musste befestigt werden. So wurde die Burg zwischen 1260 und 1270 vom Jacques de Saint-Georges erbaut. Ihn würde man heute einen Star-Architekten nennen, er arbeitete auch am Schloss Chillon am Genfersee mit, entwarf mehrere Burgen in Wales und bekam 1290 von Edward I. einen Prestigeposten auf Schloss Harlech in Nordwales.

Kleiderspange aus dem 1. Jahrhundert nach Christus (Quelle: https://collection.musee-yverdon-region.ch).

Wir betrachteten kurz den Innenhof und stromerten dann durch die verschiedenen Ausstellungen im Museum. Sie sind der Geschichte des Städtchens gewidmet. Dieses lag lange Jahrhunderte an der Kreuzung zweier wichtiger Verkehrswege: jenem zwischen Gallien und Italien und jenem zwischen Rhein und Rhône. So gibt es dort wunderschöne Artefakte aus der Römerzeit. Da wird die Fröschin aus der Zentralschweiz wieder einmal daran erinnert, dass eben nicht nur der Gotthard ein wichtiger Pass ist oder war. Sondern auch der Grosse St. Bernhard, der die Westschweiz und das Aostatal verbindet. Wir waren so gefesselt, dass wir kaum bemerkten, wie heftig es draussen stürmte.

Erst, als wir nach draussen traten, sahen wir während unseres Museumsaufenthaltes aufgezogene, rotweisse Absperrungsbänder vor der Nordfassade des Schlosses. Der Sturm hatte Äste von den Bäumen und Ziegel vom Schlossdach gerissen. Die Museumsleitung hatte verhindern wollen, dass herumfliegendes Zeug Passanten traf. Ich spielte mit dem Gedanken, dass es Ziegel gewesen sein könnten, die seit dem Mittelalter das Schloss bedeckt hatten.

 

Grandson und Caernarfon: Schlösser und Schlachten

Meine zweite Begegnung mit Otto von Grandson hatte ich 2023 bei unseren Ferien in Nordwales. Die Destination war eher zufällig gewählt, eigentlich wollten wir vor allem unsere Freunde, die Hooligans, in England besuchen. Dass wir – schon mal in Wales – das Schloss in Caernarfon besichtigten, lag auf der Hand. Es ist ein Prachtsbau, eine Machtdemonstration der Engländer, die Nordwales 1277 eroberten. Im Schloss lasen wir, dass Edward I. den Waadtländer Grafen in Nordwales zum Justiziar machte. Das heisst: Es war dessen Job, das Recht der Eroberer in Wales durchzusetzen.

Caernarfon 2023

Später erwähnte ich Otto beiläufig einem Freund gegenüber, dessen Vater Engländer ist. Der Kumpel rief aus: „Oh! Mein Vater hat ein Buch über ihn geschrieben!“ Das erstaunte mich denn doch, denn in der Deutschschweiz kennt kein Mensch Otto von Grandson. Aber der Vater meines Kumpels, der sein Arbeitsleben in der Schweiz verbracht hat, war eben auch an der englischen Connection des Waadtländer Grafen interessiert. Mein Kollege besorgte mir das Buch*, und diesen Sommer studierte ich es wie besessen. Auch zur Ablenkung von der aktuellen Weltlage. Die Menschheit hat das Mittelalter zwar nicht überwunden (neuere Geschehnisse legen eher das Gegenteil nahe) – aber immerhin überstanden.

Das Mittelalter war eine blutige Zeit, und Otto war auch keine Friedenstaube. Im Sommer 1277 etwa, vor der Eroberung von Wales, setzte er mit einer Truppe auf die Insel Anglesey über, erntete dort kurzerhand alles Getreide ab und stellte es der englischen Armee zur Verfügung. Folge: Die Zivilbevölkerung in Wales hungerte. Hätte er dasselbe nach 2018 getan, wäre er ein mutmasslicher Kriegsverbrecher.

Mr Dean erzählt viele solche Episoden. Das Hauptinteresse des pensionierten Ingenieurs gilt aber savoyischen Architekten und Bauleuten, die sowohl in der Westschweiz als auch in Wales Schlösser bauten und wohl im Umfeld von Otto nach England kamen.

Reise in die Westschweiz: An der Sprachgrenze

Im Zug von Olten nach Yverdon fuhren wir im Speisewagen. In Biel/Bienne stieg ein Mann ins Nebenabteil und bestellte laut und mit breitestem Schweizerdeutschem Akzent „un café et un croissant.“ Er hätte auch „es Kafi Crème un es Gipfeli“ bestellen können, die Kellnerin verstand Schweizerdeutsch, wie wir kurz nach Olten festgestellt hatten. Da waren wir noch in der Deutschschweiz gewesen und es wäre uns gar nicht eingefallen, sie auf Französisch anzusprechen.

Der an der Sprachgrenze Zugestiegene aber tat es – wahrscheinlich, weil man in der Westschweiz von uns Deutschschweizer*innen meist erwartet, dass wir Französisch sprechen. Offizielle Begründung ist stets das Bemühen um den nationalen Zusammenhalt. Aber vielleicht denken einige Romand·e·s (so gendert es sich in der Westschweiz) auch, Französisch sei eigentlich die kultiviertere Sprache als Deutsch und sowieso Schweizerdeutsch, und sie würden mit ihrer Beharrlichkeit einen Beitrag zu unserer „civilisation“ leisten. Wahrscheinlich bereitet es einigen sogar diebisches Vergnügen, uns zuzuhören, wenn wir unsere Zungen unbeholfen um ihre für uns ungewohnten Laute wickeln. Sogar wir selbst nennen das, was bei diesem Bemühen herauskommt, selbstironisch „Français fédéral“.

Überhaupt ist es um dem nationalen Zusammenhalt in der Schweiz im Grunde nicht allzu idyllisch bestellt. Wären die Deutsch- und die Westschweiz ein Ehepaar, würde man wohl von einer Vernunftehe sprechen. Zwischen uns liegt der so genannte Röstigraben, in der Westschweiz gestreng „barriere de rösti“ genannt. Damit wollen wir sagen, dass es dies- und jenseits des Hindernisses aus geriebenen und gebratenen Kartoffeln beträchtliche kulturelle Unterschiede gibt.

Mit schöner Regelmässigkeit will irgendein Deutschschweizer Kanton das Frühfranzösisch abschaffen und somit das Prinzip, dass wir in der Schule Französisch als erste Fremdsprache lernen. Zuletzt passiert diesen Frühling im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Wie immer folgte der Aufschrei, „aber der nationale Zusammenhalt!“, unverzüglich und nicht nur in der Suisse romande. In der nationalen Politik bleibt die Zweisprachigkeit ohnehin Staatsräson (die dritte und vierte Landessprache lassen wir hier der Einfachheit halber weg). In der Privatwirtschaft jedoch ist bei der Zusammenarbeit über den Röstigraben hinweg nicht selten Englisch die Sprache der Wahl – es ist dann alles etwas unverkrampfter.

Dennoch, entschied ich im Zug: Wenn wir schon in der Suisse romande sind, werde ich mein Französisch trainieren – so gut wie der Herr im Nebenabteil kann ich es auch.

Château d’Oex: Sommerfrische

Schlittschuhläufer während der grossen Zeit des Wintertourismus in Château d’Oex anfangs des 20. Jahrhunderts (fotografiert im Musée du Pays-d’Enhaut, in das wir vor der grossen Hitze flohen.)

Eben sind Herr T. und ich aus den Sommerferien in der Westschweiz zurückgekommen. Die letzten sieben Tage verbrachten wir in den Waadtländer Alpen, in Château d’Oex (man sagt Schato Dee, nicht Schato Döö, ich weiss nicht, warum). Auch dort oben, auf fast 1000 Metern über Meer, war es fast jeden Tag über 30 Grad. Aber nachts wurde es angenehm kühl.

In der Deutschschweiz ist der Fremdenverkehrsort mit seinen rund 3700 Einwohnern wenig bekannt. Dabei liegt er nur 15 Kilometer entfernt vom mondänen Gstaad und war früher eine beliebte Destination für englische Wintertouristen. Sie zuckelten von Montreux mit dem Zug herauf und vergnügten sich beim Schlittschuhlaufen und auf den Skiern. Doch die Skipisten am Berg sind seit 2018 „vorübergehend“ ausser Betrieb und die Seilbahn dorthin liegt weithin sichtbar still. Wahrscheinlich fällt zu wenig Schnee.

Das Dorf ist also alles andere als überlaufen, aber es lebt. Jetzt, wo die Sommersaison begonnen hat, zischen Radfahrer*innen in mitunter halsbrecherischem Tempo die Landsträsschen entlang, die Restaurants sind leidlich voll, am Wochenende steigen rote Ballone aus den Wiesen und heute und morgen sind in der Bahnhofunterführung Scherenschnitt-Tage. Château d’Oex ist auch Landwirtschaftsgebiet. Auf den Feldern riecht es nach frisch geschnittenem Heu, oft auch nach Bschötti oder nach beidem gleichzeitig.

Die Aussicht von unserer Ferienwohnung.

 

Wir fühlten uns dort – trotz Ferienwohnung mit magischer Aussicht – zunächst beengt. Wanderungen bis hinauf auf die kühlen Gipfel konnte ich wegen meiner schmerzenden Knie keine machen, unten im Tal war es zu heiss für lange Touren. Aber dann fanden wir das Museum und das Schwimmbad und machten Spaziergänge im Schatten der Wälder. Und abends taten wir manchmal nichts anderes als zuzuschauen, wie die Schatten der Nacht aus dem Tal allmählich die Berge hochkrochen.

Seit wir gestern zu packen begonnen haben, habe ich den Blues. Seit 25 Jahren sind Herr T. und ich fast jeden Sommer zusammen verreist. Fast jedesmal bin ich am Schluss auch mit einer gewissen Vorfreude wieder nach Hause gekommen, aber gestern und heute war ich ein paarmal ein richtiger Stinkstiefel. Es liegt nicht an Château d’Oex. Es liegt vielleicht daran, dass es so schöne drei Wochen waren – und dass diese Hitze etwas derart Endzeitliches hat, dass mehr als nur meine Ferien zur Neige zu gehen scheinen.

 

Schweizerdeutsch 42: Tödlich

S’esch scho äine gschtorbe bem Warte!

Standarddeutsch: Es ist schon einer gestorben beim Warten!

Wenn ich zu Fuss ins Spital gehe, muss ich die vierspurige Pilatusstrasse beim Hotel Anker überqueren. Das braucht Geduld. Man wartet zweimal, bis es grün wird, beim zweiten Mal auf einer zu kleinen Mittelinsel im tosenden Verkehr. Wenn ich da so stehe, denke ich an die obige Redensart meiner Mutter. Sie sagte das immer, wenn sie irgendwo unsinnig lange warten musste. Als Kind konnte ich mir nicht vorstellen, wie man sterben kann beim Warten. Aber jetzt kann ich es. Ich stelle mir diesen beim Ausharren Verblichenen vor, wie er auf der Mittelinsel steht und steht, wie er immer hohläugiger wird, seine Kleider zerfetzt und seine Haare zerzaust, wie ihm nie jemand auch nur „es Kafi verbiibrengt“ und wie er in einer Novembernacht einem Herzversagen erliegt. Und am nächsten Tag lerne ich dann, wo der perfekte Ort ist, den einsamen Tod der Wartenden zu erleiden: in der Warteschlaufe am Telefon des Hausarztes, bei breiiger Klaviermusik.

Schwerhörig bei Stromausfall

Eben lese ich in der heutigen Luzerner Zeitung die Nachbereitung des Stromausfalls auf der iberischen Halbinsel vom Montag. Schnell merke ich: Ich hätte insofern Glück, als meine Hörgeräte noch mit Batterien funktionieren. Wenigstens 1:1-Kommunikation wäre noch Wochen nach einem Stromausfall möglich. Neuere Hörgeräte aber haben oft einen Akku, der sich über Nacht an der Steckdose aufladen lässt. Wie viele stromlose Nächte solche Geräte durchhalten, weiss ich nicht.

Abgehängt wäre ich aber sehr wahrscheinlich bei der Kommunikation von Vater Staat, denn, so steht da: „Bei einem Stromausfall funktioniert oft auch das Internet nicht. Die Behörden kommunizieren wichtige Informationen deshalb immer auch über Radio und Fernsehen. Dafür empfiehlt der Bund ein batteriebetriebenes Radio mit DAB+-Empfang – natürlich mit Ersatzbatterien.“ (Seite 3)

Was Gehörlose tun würden, wenn nur das Radio funktionieren würde – ich weiss es nicht. Bei mir könnte ein sehr laut aufgedrehtes DAB+-Radio vielleicht seinen Zweck erfüllen. Aber aufgepasst: Wenn das Radio zu laut aufgedreht wird, überschlagen sich die Töne in meinem Hörgerät – selbst dann, wenn die Stimme der Sprecher stabil bleibt.

Schweizerdeutsch 38: Osterbrauch

Eiertütsche (N, n)

Standarddeutsch: Eier aneinanderschlagen

Unser Osternest, zwei der farbigen Hühnereier haben wir bereits weggetütscht.

Am Eiertütsche können zwei oder mehr Personen teilnehmen. Jede wählt ein österlich bemaltes, zehn Minuten gekochtes Hühnerei. Nun erfolgt ein Wettkampf, bei dem jeweils zwei Personen mit ihren Eiern gegeneinander antreten. Ziel ist es, die Schale des Gegner-Eis zu beschädigen. Dies geschieht nach strikten Regeln. Zuerst müssen die Gegner ausmachen, wer sein Ei von oben auf dasjenige des anderen hauen darf. Dabei gilt: „Spitz gäge Spitz“ oder „Gupf gäge Gupf“ – man schlägt also stets entweder die Spitzen der beiden Eier aufeinander – oder die unteren, mehr gerundeten Teile. Nach dem Erstschlag, bei dem meist eines der Eier beschädigt wird, dreht man die Eier um und schreitet zum Zweitschlag. Wenn danach beide Eier beschädigt sind, gibt es einen Drittschlag, Spitz gegen Gupf. Gesiegt hat, wer weniger Schäden am Ei hat. Danach isst man die Eier mit Aromat oder Salz.

Und an Euch alle noch der momentan am häufigsten gehörte Gruss: „schöni Oschtere!“

Schweizerdeutsch 32: Ein jugendlicher Tunichtgut

Är esch em Tüüfel ab em Charre gheit

Standarddeutsch: Er ist dem Teufel von der Karre gefallen

Heisst: Er ist ein Tunichtigut. Meist verwenden wir es für unberechenbare, im Extremfall kleinkriminelle Jugendliche; in der Regel aber liebevoll oder mit einem „chli“ – ein wenig – abgeschwächt.

Quelle: zvab.com

Aus dem Manesse-Bändchen mit Schweizer Erzählungen will mein Vater ganz entschieden eine Geschichte von Ludwig Hohl vorgelesen bekommen: „Drei alte Weiber in einem Bergdorf“. Vater sitzt im Rollstuhl und lauscht dieser Schilderung dreier wirklich gruseliger Greisinnen. Verstehe einer meinen Vater! Er könnte einen Klassiker haben, Jeremias Gotthelf oder Gottfried Keller, aber nein, Ludwig Hohl muss es sein. Dabei wissen wir beide nicht einmal recht, wer Ludwig Hohl war. Ich zücke das Handy, konsultiere Wikipedia (hier) und lese vor: „Hatte zeitlebens ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern, … besuchte die Kantonsschule Frauenfeld, die er wegen des angeblich schlechten Einflusses auf seine Mitschüler vorzeitig verlassen musste. Als er in Zürich auch an der Handelsschule Minerva gescheitert war, verliess er sein Elternhaus und kehrte nie mehr zurück, … liess sich noch lange von den Eltern finanziell unterstützen.“ Ich schaue auf und schmunzle meinen Vater an: „Dä esch mäini chli em Tüüfel abem Charre gheit.“ Hohl wurde einer der bedeutendsten Schweizer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Schweizerdeutsch 30: Überfordert vom alltäglichen Wahnsinn

Äinen eläi glaubt’s ned!

Standarddeutsch: „Einer allein glaubt es nicht!“ Im Sinne von: Es ist derart absurd oder gestört, dass einer allein dafür nicht genügend Fassungsvermögen hat.

Eine Redensart, die ich von einer Berner Freundin an der Uni habe. Ich brauchte sie für alle erdenklichen Manifestationen des alltäglichen Wahnsinns. Beispiele: Beim Ferienjob auf dem Briefversand hatte der Chef mich für eine Spät- und eine Frühschicht gleich hintereinander eingetragen. Dazwischen: nur vier Stunden Pause! „Äinen elei glaubt’s ned!“ rief ich kopfschüttelnd und ging zum Chef.

Oder: Die Bürokratin vom Rektorat hatte gerade eine Zahlung gefordert, die ich für ungerechtfertigt hielt. „Äinen elei glaubt’s ned!“ erzählte ich empört Kollegin Rosi, machte zähneknirschend die Zahlung und erhielt Ende Jahr korrekt das Geld zurück.

Oder: Der Zug stand eine halbe Stunde bewegungslos auf der Brücke von Aarburg, ohne Durchsage, ohne Erklärung, ich verpasste in Olten mit 150 anderen den Anschluss. „Äinen elei glaubt’s ned!“ rief ich aus, als ich meinem über meine Verspätung verärgerten Liebsten Konrad die Sachlage schilderte. Das reichte, um ihn zu beschwichtigen.

Wie niedlich waren damals doch unsere Fassungslosigkeiten!

Schweizerdeutsch 28: Ich weiss nicht, wer Sie sind

Ech cha si ned häitue.

Standarddeutsch wörtlich: Ich kann Sie nicht nach Hause fahren.
Im übertragenen Sinn: Ich weiss nicht, wer Sie sind. Ich kann nicht einordnen, woher ich Sie kennen soll.

Josi J. Meier war eine der ersten elf Frauen, die 1971 nach Einführung des Frauenstimmrechts in den Nationalrat gewählt wurden – eine Luzernerin. Sie erzählte gerne Anekdoten, manchmal auch solche, bei denen die Pointe auf ihre Kosten ging. Etwa jene von dem Unbekannten, der sie eines Abends spät vor ihrer Haustür aufgehalten habe. Sie hatte keine Ahnung, wer er war, und sagte: «Ech cha si ned häitue.» Der Mann antwortete: «Macht nüt, ech ha s’Velo debii.» – Macht nichts, ich habe mein Fahrrad dabei.

Kürzlich habe ich mich von der Geschichte dieser 2006 verstorbenen Politikerin beeindrucken lassen, die eine fortschrittliche Persönlichkeit hinter einem eher unscheinbaren Äusseren verbarg. Wer sie auch kennenlernen möchte, schaut hier nach.