Schweizerdeutsch 7: Weihnachtsplätzchen

Weihnachtsguetzli (N)

Auf Hochdeutsch: Weihnachtsplätzchen oder Weihnachtskekse

Die da wären: Änis-Chräbeli, Brownies, Brunsli, gföllti Dattle, Kokos-Magröndli, Mailänderli, Orangenegge, Sablés, Spitzbuebe, Tirggel, Totebeindli, Vanillekipferl, Zimmetschtärne

Schweizerdeutsch 6: Drei flotte Frauen

flott (Adj)
Kann heissen: „sympathisch“, „aufgeschlossen“, „kommunikativ“, „leistungsbereit“, „positiv eingestellt“, „gut gekleidet“, „gut aussehend“ und wird typischerweise bei der Erstbeurteilung von angehenden Lehrlingen und Schwiegersöhnen in spe verwendet („e flotte Purscht“).
Wird im Schweizerdeutschen nur auf Menschen angewendet und bedeutet nie: „schnell“. Da würde man eher „tifig“ sagen (jedenfalls bei Mädchen).

Erläuterungen: Neulich kam Nachbarin Bea zum Plaudern vorbei. Sie hat den grössten Teil ihres Lebens in der Nordwestecke des Kantons Luzern verbracht. Von dort bringt sie ihr Vokabular, ihr Lautinventar und ihre Werte mit. Sie pries uns ein Öko-Projekt an, das sie besichtigt hatte. Es wird von drei jungen Frauen geführt. „Drü so flotti Froue!“ sagte sie zweimal.

In der Rubrik „Schweizerdeutsch-Lektiönli“ schreibe ich in unregelmässigen Zeitabständen über Redensarten in der Schweiz – teils auch, um mögliche Missverständnisse zwischen Deutschen und Schweizer*innen auszuräumen. Ich wähle die Wörter zufällig und höhere didaktische Absicht. Kommentare jederzeit willkommen.

Schweizerdeutsch 5: St. Nikolaus und sein Begleiter

Samichlaus (rechts) und sein Assistent Schmutzli (Quelle: historyundusted.wordpress.com)

Samichlaus (m)
Hochdeutsch: St. Nikolaus

Schmutzli (m)
Hochdeutsch: Der meist schwarz gekleidete Begleiter von Samichlaus, entspricht am ehesten Knecht Ruprecht oder in Österreich dem Krampus

Die beiden kommen heute noch um den 6. Dezember herum bei Kindern zu Besuch. Früher verkörperten sie das Prinzip, dass es keine Belohnung ohne Strafe gibt. Der Samichlaus brachte die Belohnung: Er hörte sich unsere Sprüchli an, lobte und ermahnte gütig und verteilte Nüssli, Manderinli und Lebkuchen. Die Schmutzli – sie kamen meist als Rudel – waren seine wilden Begleiter und lieferten die Strafe. Meist gespielt von zehn- bis zwölfjährigen Buben, wetzten sie durch das Zimmer und liessen ihre Ruten zischen. Als Sechs- und Siebenjährige war ich beim Samichlaus-Besuch in grösster Furcht, dass so eine Schmutzli-Rute auf meinen Po niedersausen könnte.

Schmutzli-Rute (Quelle: deinparadies.ch)

Wohl als Siebenjährige sah ich in den blauen Augen eines Schmutzli-Buben mit schwarz bemaltem Gesicht eine Art heilige Begeisterung, mit der er seine Rute sausen lassen liess. Seither weiss ich, wie sehr manche Kinder (wohl auch Erwachsene) es geniessen, anderen Menschen Angst einzuflössen. Heute findet man sehr wohl noch Schmutzli-Ruten im Angebot von Online-Shops aber von den idyllischen Samichlaus- und Schmutzli-Bildern im Netz sind sie allesamt verschwunden.

Schweizerdeutsch 4: Parkieren

parkieren (V)
Hochdeutsch: parken; ein Fahrzeug, meist ein Auto, vorübergehend auf einem Parkplatz oder am Strassenrand abstellen

Erläuterungen: Ich war sehr belustigt, als ich lernte, dass die Deutschen nicht „parkieren“, sondern „parken“ sagen. Denke ich das Verb „parken“, dann kann ich mir nur vorstellen, was ich mit einem Park täte, wenn ich eine Riesin wäre. Ich würde vergnügt mit Bäumen jonglieren, parkierte Fahrräder zu Halsketten aneinanderhängen, spazierende Mannsgöggeli vom Ausgang des Parks flugs wieder an seinen Eingang stellen, es riesige, farbige Papierschnipsel auf den Rasen regnen lassen; kurz, im Park für Allotria sorgen.

Schweizerdeutsch 3: Wenn Wunden heilen

Ruuf (m.)
heisst auf Hochdeutsch: Schorf (auf einer Wunde)
Plural: „Rüüf“
Wahrscheinlich verwandt mit: „Roof“, englisch „Dach“

Trivia: Das Wort erinnert mich an das Staunen, mit dem ich als Kind so einen „Ruuf“ auf meiner Haut betrachten und befingern konnte. Daran, wie oft ich mir damals einen „Blätz“ am Knie oder am Ellbogen holte, eine kleinere Blessur. Wie meine Mutter die Wunde schnell mit ein wenig Merfen Orange desinfizierte und ein Pflaster drüberklebte. Und an das, was zu sehen war, wenn das Pflaster wieder wegkam: dieser krustige, blättrige, etwas brüchigen Deckel, der Ruuf eben, der eine offene Stelle darunter schützte. Wenn der Ruuf – oder das Rüüfli – sich löste, war die Haut darunter rosa. Wenn man „de Ruuf“ zu früh abkratzte, quoll nochmals ein Tropfen Blut aus einer noch nicht verheilten Stelle.

Siehe aus: https://sprachatlas.ch/karten/4051

In der neuen Rubrik „Schweizerdeutsch-Lektiönli“ schreibe ich in unregelmässigen Zeitabständen über einzelne Vokabeln oder Redensarten in der Schweiz. Viele stammen aus meiner Familie, unser Dialekt: Luzerndeutsch, teils geprägt durch die Herkunft meiner Mutter, deren Eltern vom Jurasüdfuss stammten. Ich tue es ohne System oder didaktische Absicht, die Methode ist heuristisch. Kommentare jederzeit willkommen.

Schweizerdeutsch 2: „Hör mal!“

„Los emol!“

Heisst Hochdeutsch: „Hör mal!“
Verwandt mit Englisch „listen!“.
Erläuterungen: Meine Freundin Helga aus Deutschland arbeitete mehrere Jahre lang in der Schweiz. Dieses häufig geäusserte „los emol!“ habe sie in den ersten Wochen zutiefst verwirrt, erzählte sie mir einmal. In ihrem Dialekt heisse „loss emol“ eher so etwas wie „jetzt lass das mal los!“ oder „lass es einfach bleiben!“ Wir dagegen sagen ständig: „Los emol!“ – einfach, um die Aufmerksamkeit unseres Gegenübers zu wecken.

Edit: Helga schrieb mir gestern Abend noch ein Whatsapp über ihre ersten Tage mit diesem „los emol!“: „Jedesmal, wenn jemand etwas mit mir besprechen wollte und das mit ‚los emol!‘ einleitete, bin ich verwirrt weggegangen. Ich dachte, menno, diese Schweizer, immer, wenn man mal was besprechen will, wollen die in Ruhe gelassen werden. Und die Schweizer dachten: Typisch Deutsche, statt mal in Ruhe zuzuhören, hauen die einfach ab.“

In der neuen Rubrik „Schweizerdeutsch-Lektiönli“ schreibe ich in unregelmässigen Zeitabständen über Redensarten in der Schweiz – teils auch, um mögliche Missverständnisse zwischen Deutschen und Schweizer*innen auszuräumen. Ich tue es ohne System oder höhere didaktische Absicht. Kommentare jederzeit willkommen.

Schweizerdeutsch – Lektiönli 1

„Hender chönne riite?“

Bedeutet: „Habt Ihr eine Mitfahrgelegenheit bekommen?“
Direkte Übersetzung ins Hochdeutsche: „Habt Ihr reiten können?“
Wohl verwandt mit „did you get a ride?“ im Amerikanischen

Diese wahrscheinlich aussterbende Redensart stammt aus meiner Kindheit. Sie erinnert mich an das Gefühl, wohlig im Fond eines Autos zu kuscheln, während vorne eine kompetente, erwachsene Person das Steuer hält.

In der neuen Rubrik „Schweizerdeutsch-Lektiönli“ schreibe ich in unregelmässigen Zeitabständen über Redensarten in der Schweiz. Viele stammen aus meiner Familie, unser Dialekt: Luzerndeutsch, teils geprägt durch die Herkunft meines Vaters, der als Bauernbub im Nordwesten des Kantons aufwuchs. Ich tue es ohne System oder didaktische Absicht, die Methode ist heuristisch. Kommentare jederzeit willkommen.

Beschwipst vom blauen Himmel


Klein, aber unverschämt blau: Ehrenpreis gehört zu meinen Lieblingsblümchen.

Heute kam unerwartet ein arbeitsfreier Nachmittag. Die Sonne scheint, und um die Stadt stehen die Berge noch weiss wie eine frisch polierte Zahnreihe. Mich zog es zum Göttersee. Ich hatte Sehnsucht nach Frühlingsblümchen.

Am Göttersee fand ich Scharbockskraut, Buschwindröschen und dazu ganze Ehrenpreis-Kissen. Das Kraut hat winzige Blümchen, die am Rand der grossen Kuhweiden stehen. Aber wer es für bescheiden hält, hat nicht genau hingeschaut. Geradezu unverschämt streckt der Ehrenpreis seine blauen Kelche dem Himmel entgegen wie einen zart geäderten Spiegel. Wie ich als Kind über dieses Blau gestaunt habe! Und die Pflanze hat fast so viele Namen wie eine kleine Gottheit: Männertreu, Frauenbiss, Katzenäuglein, Veronica oder Wildes Vergissmeinnicht. Es gibt Gamander-Ehrenpreis – und wenn ich wieder einmal einen Krimi schriebe, dann würde ich einen würdevollen, stillen Staatsanwalt aus dem Tal O. Herrn Gamander nennen. Auf Schweizerdeutsch heissen sie: Chatzenäugli. Und – so habe ich zumindest immer geglaubt und es wegen der blauen Farbe für plausibel gehalten: Himmugüügeli. Ich legte mir eine Theorie zurecht, was „güügeli“ bedeuten könnte. Weil „güügele“ bei uns auch „sich einen Schwips antrinken“ heisst: die Blümchen, die sich am Blick in den blauen Himmel berauschen.

Das Internet hat meiner überbordenden Kreativität jähe Grenzen gesetzt und informiert mich hier ganz lapidar: „Himmugüügeli“ heisst Marienkäfer.