Gendersternchen

Wäre wahrscheinlich froh um Gendersternchen gewesen: Die erste Schweizer Juristin Emilie Kempin-Spyri (Quelle: Wikipedia)
Freund*innen, ich sehe die Nachteile von Gendersternchen! Neulich hatte ich einen Text in der Hand, der sich über Maurer*innen, Apotheker*innen, Parlamentarier*innen und Vertreter*innen eines guten halben Dutzends weiterer Berufe äusserte. Immer mit Gendersternchen. Es sah süss aus, eine Art euphorisierte konkrete Poesie. Aber die Autorin wollte ein politisches Statement machen, und dieses sah man vor lauter Sternchen gar nicht mehr. „Mir ist ganz schwindlig“, schrieb ich ihr. „Das geht so nicht.“ In unserem Redaktionshandbuch steht sowieso nichts von Gendersternchen. Dieses schrieb noch bis vor wenigen Jahren vor, bei unserer Zeitung sei stets das generische Maskulinum zu verwenden – wie etwa im Satz: „Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich“.* Frauen mitgemeint.

Und hier haben wir das Problem. Bei diesem „Mitgemeint-Sein“ wird mir immer etwas unbehaglich. Als ich neulich eine Kurzbiographie der ersten Schweizer Rechtsgelehrten Emilie Kempin-Spyri las, verstand ich besser, weshalb. Studieren durfte Kempin zwar. Aber man wollte ihr als Frau das Anwaltspatent verweigern, und sie ging deshalb 1887 bis vor Bundesgericht. Sie habe Anspruch auf das Patent, denn im Satz „alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich“ seien Frauen mitgemeint, argumentierte sie. Er stand in der Verfassung von anno dazumal. Die hohen Richter fanden diese Idee jedoch «ebenso neu als kühn». Sie verweigerten ihr das Recht, ihren Beruf auszuüben.

„Also, das ist doch 134 Jahre her! Das wird nie wieder passieren“, sagt jetzt der Sprachpurist. Ja, und 2019 dachten wir noch, eine etwaige Pandemie hätten wir im Westen voll im Griff. Man kann nie sicher sein, dass die Errungenschaften der Moderne nicht wieder den Bach runtergehen. Deshalb habe ich rein gar nichts gegen eine Sprachregelung, die mich als Frau deutsch und deutlich erwähnt. Und meinetwegen auch alle Menschen ohne eindeutiges Geschlecht. Wie das am besten gehen soll? Ich weiss es nicht.

Für eine faule Ausrede halte ich aber das neueste Argument des Sprachpuristen: „Himmel, diese blöden Genderzeichen übertragen sich jetzt auch noch auf die gesprochene Sprache! Die Leute sagen jetzt so dämliche Dinge wie ‚Anwält[|]innen‘ oder ‚Schauspieler[|]innen!“ Dämlich? Ihr Deutschen nennt doch Eure Freundin Beate auch „Be[|]ate“. Und Ihr geht nicht ins Theater, sondern ins „The[|]ater“. Den Laut, den ihr da deutlich hörbar zwischen zwei Vokale einbaut, ist ein so genannter Glottisschlag und im Deutschen schon lange gebräuchlich.**

Aber gut. Ich bin auch nicht sicher, wie ich zu den Gendersternchen stehe. Viele andere auch nicht. Ich schlage vor: Bis wir eine mehrheitsfähige Lösung haben, spreche und schreibe ich hier von „Maurerinnen und Apothekern, Schauspielern, Parlamentariern und Anwältinnen“. Soll jeder darüber denken, was sie will.

* Artikel 4 der Schweizerischen Bundesverfassung von 1887, mehr dazu hier
** Und, für die Anglophilen unter uns: Die Londoner[|]innen haben es mit ihrem so genannten *glo[|]al stop“ gar zur Meisterschaft gebracht. Kann man sich auf diesem Youtube-Video anhören. I mus[|] say, though: Why I ge[|] Arabic subti[|]les in this video, bea[|]s me.