Hörgeräte sind ein Segen. Hier beschreibe ich, was sich anders anhört, wenn ich meine trage (Quelle: www.oticon.ch)
Es soll ja Leute geben, die ihre Hörgeräte nicht tragen. Zu denen gehöre ich eindeutig nicht. Ich setze sie mir am Morgen gleich nach dem Aufwachen ein. Und abends nehme ich sie erst heraus, wenn mein Kopf gleich aufs Kissen sinken wird. Deshalb weiss ich gar nicht genau, was ich ohne Hörgeräte eigentlich noch höre. Nicht viel, fürchte ich.
Manchmal sage ich mir abends selber „hallo“, wenn ich die Hörgeräte herausgenommen habe. Das höre ich nur noch, wenn ich laut und deutlich mit mir selber spreche. Ich höre meine eigene Stimme dünn und dumpf zugleich, sie sagt „ollo! ollo! ollo!“ Wenn ich mit der Hand über die Bettdecke streiche, höre ich das als dünnes Rinnsal von einem Geräusch. Aber nur an guten Tagen. An schlechten höre ich gar nichts. Manchmal muss ich nochmals aufstehen und gehe am Fernseher vorbei, der noch läuft, weil Herr T. noch fernsieht. Dann höre ich manchmal eine Stimme aus der Kiste, ein helles Greinen. Es klingt immer gleich. Stimmen unterscheiden kann ich ohne Hörgerät nicht mehr.
Hörgeräte dürfen nicht nass werden, deshalb muss ich sie zum Duschen ausziehen. Das Rauschen des Duschwassers höre ich dann. Sonst nichts. Schwierig wird es immer in der Badi. Wenn ich in den See will, muss ich mir die Hörgeräte ausziehen. Dann ist nichts als lauter Tinnitus um mich herum, manchmal ein Kind das schreit. Und wenn Herr T. sich anstrengt, können wir uns knapp verständigen. Das heisst: Im Sommer konnten wir das noch. Jetzt höre ich noch schlechter und weiss nicht, ob es noch ginge. Aber es ist ja Herbst. Man muss nicht in die Badi.
Die Hörgeräte helfen: Mit ihnen erkenne ich Stimmen und verstehe auch manchmal, was man mir sagt, wenigstens bei guten Hörbedingungen. Ich höre bei offenem Fenster das Juchzen der Kinder unten auf der Strasse. Ich höre die Tastatur meines Computers und das Klicken der Maus. Ich kann ein bisschen singen, wahrscheinlich falsch. Ohne Hörgeräte höre ich gar keine unterschiedlichen Tonhöhen mehr.
Früher hätte mich das alles entsetzt. Jetzt versuche ich, es zu ignorieren. Wenn ich doch einen panischen Moment habe, denke ich an meinen Ohrenarzt. Der sagt: „Wenn Sie noch zehn oder zwanzig Dezibel schlechter hören, dann gibt es immer noch die Möglichkeit eines Cochlea-Implantats. Nur damit Sie wissen, dass Sie nicht einfach ertauben werden.“
ja, alles einschränkungen, an die man sich wahrscheinlich nur schwer gewöhnen kann. da hilft nur positiv denken.
Darin übe ich mich täglich, Herr Boma 🙂 Danke für den Kommentar.
Das hast du sehr anschaulich beschrieben. Wahrscheinlich gewöhnt man sich auch irgendwie dran. Ich meine, was bleibt schließlich auch anderes übrig.
Genauso wie man sich daran gewöhnen muss, eine Brille zu tragen, weil immer mehr sonst nicht mehr zu lesen ist.
Die Aussage deines Ohrenarztes ist ja schon mal Gold wert.
Liebe Grüße, Juni
Danke, liebe Juni. Ja, man gewöhnt sich dran, wie an das meiste. Für mich ist das längst nicht mehr so schlimm, wie es früher gewesen wäre. Und ich bin froh, dass ich Leute mit Innenohr-Prothesen kenne – die meisten sind sehr glücklich damit.
Es ist beklemmend, das zu lesen… du beschreibst es so anschaulich, dass man meint, es nachempfinden oder fast hören oder nicht hören zu können, aber das kann man wahrscheinlich nicht… bleib so stark, wie du bist, alles Gute von zora
Danke, liebe Zora, fürs Mutmachen. Auch wenn ich gestehen muss: Ich fühle mich selber nicht sonderlich stark 😉
Das stelle ich mir schon als eine große Einschränkung vor, nicht „normal“ hören zu können. Aber glücklicherweise werden die technischen Hilfsmittel immer besser.
Allerdings haben Hörende auch einen Nachteil, der mir gestern mal wieder bewusst wurde: Im Gegensatz zu Augen kann man Ohren nicht einfach verschließen oder in eine andere Richtung lenken.
Ich saß auf der Terrasse eines Restaurants. Alles war toll: das Wetter, das Essen, der Ausblick. Aber zwei Tische neben neben mir saß ein Mann mit einem Hund, welcher dauernd bellte. Der böse Blick der anderen Gäste war dem Mann sicher. Du hättest da sicherlich einfach nur dein Hörgerät ausgeschaltet.
Ja, das hätte ich wohl – jedenfalls, wenn ich allein gewesen wäre. Ich von den zahlreichen denkbaren Nachtruhestörungen bekomme ich natürlich längst nicht mehr alle mit …
In den 1990-er Jahren hatte ein Freund und Lehrerkollege ein Hörgerät, das bei Pfiffen übersteuerte. Einmal war er so unvorsichtig, das vor eine Klasse zu sagen – mit dem Erfolg, dass nun auf dem Gang herumlungernde Schüler pfiffen, sobald der Kollege vorbeikam.
Besser spät als nie sehe ich hier Deinen Kommentar. Vielen Dank. Ja, die Grausamkeit von Schülern – brutal. Überhaupt: Schwerhörigkeit im Lehrberuf. Habe da die eine oder andere Anekdote mitbekommen und muss sagen: Schwierige Sache.
Hui – hätte ich nicht eben Deinen Kommentar bei Nell gelesen, dann hätt ich wo gar erst wieder weit später an Dich gedacht. Denn nicht jeder Deiner Beiträge erscheint im Reader. Überhaupt ist WP auch nicht perfekt, sondern zusehends seltsamer. Na ja, okay … Ò_ó
Also, was mir trotzdem gefällt: Dein Gerät scheint inzwischen perfektioniert zu sein. Denn ich erinnere mich an zahlreiche Ältere, die es wg lästiger „Störeinheiten“ meist bloß ungenutzt in der Ecke rumliegen ließen.
Gute und sogar beste Wünsche bekommst Du freilich auch hiermit von mir, aber erstmal wünsche ich Dir, daß es zur Cochlea-Op nie kommen möge, sondern daß Du bis St. Nimmerlein immer noch genügend mit Deinem Gerät hören kannst. 🙂
Danke, das ist lieb von Dir, Edith. Im Moment denken wir wegen der Störgeräusche über ein neues Hörgerät nach. Ist aber teuer. Mal schauen. Herzliche Grüsse!
Also auch nicht perfekt. Vorerst weiß ich gar nix mehr zu erwidern. Darum erstmal herzliche Grüße auch an Dich. 🙂
PS. Badi – Ihr habts so sympathische Ausdrücke bisweilen. 😉
Danke, Edith 🙂
Leider werden mir deine Beiträge – aus welchem Grund auch immer – nicht regelmäßig im Reader angezeigt. So stieß ich gerade eben erst auf diesen hier.
Es ist bei aller Misere tröstlich zu wissen, dass es immer noch weitere Behandlungsmöglichkeiten gibt, die eine gewisse Verbesserung oder zumindest keine weitere Verschlechterung versprechen. Ich drücke dir die Daumen, dass es zum Implantat nicht kommen wird und dir ggf. neue Hörgeräte helfen werden, den aktuellen Zustand zu verbessern.