Seit Jahren sehe ich am Montagabend treu Grey’s Anatomy und habe daher vage Vorstellungen von der Chirurgie. Nie hätte ich mir vorgestellt, dass ich einmal in die Rolle der Patientin auf dem Operationstisch geraten könnte. Die Serie wird aus der Sicht der Ärztinnen und Ärzte erzählt, Patienten haben lediglich Nebenrollen. Werden sie operiert, sieht man meist nur das Loch in ihrem Leib.
Als es dann doch soweit kam, stellte sich heraus: Am meisten fürchtete ich mich vor der Narkose. Die Vorstellung, ohne Bewusstsein dazuliegen, während sich eine Hand mit Skalpell auf meinen Körper senkt, … nein, bitte nicht! Und dann auch noch ohne Hörgeräte! Jeder Person, die mit mir sprach, schärfte ich ein: „Sobald ich aufwache, muss ich meine Hörgeräte wieder haben. Ich höre sonst rein gar nichts.“ Jede erklärte mir in sanftem Ton, wie man mir nach der Operation meine Hörgeräte wieder verschaffen werde. Es klang jedes Mal etwas anders, was mich nicht unbedingt beruhigte. Ich dachte über einen Auswege nach. Erst am zweitletzten Abend vor dem grossen Tag sah ich so etwas wie ein Licht, das mir den Weg wies. Nicht: „Augen zu und durch.“ Sondern: „Folge dem Licht geradeaus, es zeigt Dir den einzigen Weg.“
So bereitete ich mich auf die Prozedur vor wie auf einen kleinen Tod. Am Vorabend packte ich, rasierte meine Körperhaare und legte die Armbanduhr und meine Ringe ab. Bei Tagesanbruch waren wir im Spital, wo ich auf einer fahrbaren Liege meine Kleider aus- und Spitalwäsche anziehen musste. Die Pflegerin zeigte mir eine rote Tüte, die über den Bett hing: „In diese Tüte legen wir Ihre Hörgeräte, sobald Sie ohne Bewusstsein sind. Wenn Sie wieder zu sich kommen, können Sie sie wieder anziehen.“
Dann musste ich, noch aus eigenen Kräften, von der fahrbaren Liege auf einen Operationstisch umsteigen. Genau diese Szene hatte ich am Vorabend in einer Folge „Grey’s Anatomy“ gesehen: Für einen schwer lungenkranken Mann war diese Handlung die letzte Geste der Zustimmung zu einer lebensgefährlichen Operation. In der Realität gibt es an diesem Punkt keinen Widerspruch mehr, es ist alles bereit. Ich liess mir eine Sauerstoffmaske überstülpen.
Als nächstes hörte ich eine Frau. Sie rief: „Frau Frogg! Frau Frogg! Sind sie wach?!“ Da wusste ich, dass die Narkose vorbei war. „Ja“, sagte ich, und dann: „Kann ich noch ein paar Minuten schlafen?“ Ich war so müde.
Dass ich da meine Hörgeräte schon wieder getragen hatte, merkte ich erst Stunden später.
Ich hab an dich gedacht. Wollte schon ein paar mal einen Kommentar unter deinen letzten Eintrag schreiben. Ich habe aber nicht die richtigen Worte gefunden und alles immer wieder gelöscht und es am Ende dann ganz gelassen. Umso schöner, jetzt einen Eintrag von dir zu lesen. Sei lieb gegrüßt und komm schnell wieder auf die Beine. Juni
Danke für die guten Wünsche, liebe Juni! Ja, es geht täglich etwas vorwärts. Nur abends bin ich dann noch ungewohnt müde und habe das eine oder andere Wehwehchen. Ich habe mit Freuden entdeckt, dass Du wieder schreibst.
Die Narkose kann einem auch unheimlich sein, so ganz ohne Bewusstsein fremden Menschen ausgeliefert, die vielleicht noch ihre Scherze am OP-Tisch machen… Aber man bekommt es glücklicherweise nicht mit und dass du wieder aufwachen würdest, hast du hoffentlich nie wirklich bezweifelt 🙂
Nein, das habe ich nicht bezweifelt. Aber der Gedanke, für so lange Zeit ohne Bewusststein zu sein, hat bei mir schon sehr merkwürdige Gedanken ausgelöst. Es ist aber alles gut gelaufen, und zum Glück war ich ohne Bewusstsein 🙂