Stromfresser Staubsauger

Heute Morgen loteten Herr T. und ich die Grenzen unserer Stromspar-Manie aus. Herr T. testete mit seinem Messgerät den Stromverbrauch des Staubsaugers. Sein „Du meine Güte!“ übertönte das Sausen des Motors im himmelblauen Gehäuse. Es stellte sich heraus: Das Ding verbraucht 3300 Watt! „Das ist ein Grund, weniger staubzusaugen“, meinte er. Er hasst das Geräusch von Staubsaugern. Ich bringe unser Teil meist zum Einsatz, wenn er gerade einkaufen geht. „Nein, nein, nein“, sagte ich. Wahrlich, ich bin als Putzfrau Minimalistin aus Überzeugung – schon daher können wir bei der Haushalts-Hygiene keine weiteren Abstriche machen.

Letzte Woche haben wir erschreckende Geschichten über die Steigerung der Strom- und Gaspreise in Deutschland gehört. Hierzulande fallen die Nachrichten zu diesen Themen etwas gemässigter aus – die Teuerung beim Strom liegt in einigen wenigen Gemeinden bei maximal 230 Prozent, in anderen sind es 2 Prozent oder weniger. Es hat auch damit zu tun, dass bei uns der Strommarkt nicht vollständig liberalisiert ist wie in den Staaten der EU. Wir haben das 2002 bei einer Volksabstimmung verhindert. Für Ottilia Normalverbraucherin gibt es bei uns immer noch in jedem Dorf höchstens drei, meistens nur einen Stromanbieter. Unter anderem wegen dieser fehlenden Strommarkt-Liberalisierung hatten wir dann aber Unstimmigkeiten mit der EU, die zum Abbruch der Verhandlungen über einen Rahmenvertrag geführt haben. Zum ersten Mal bin ich gerade froh, dass wir  den nicht haben.

 

Wie wir Strom sparen

Ich muss hier vorausschicken, dass die Strompreise in unserer Stadt lediglich um rund 33 Prozent steigen werden. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, wird uns das nicht in existenzielle Schwierigkeiten bringen. Unser Versuch, weniger Strom zu verbrauchen, ist daher eher ein Beitrag an das Wohlergehen der Allgemeinheit: Damit „der Pfuus“ für alle länger reicht. Damit wir weniger das Gefühl haben, in dieser Krise ohnmächtig dazusitzen. Und das tun wir:

  • Schon seit August spare ich täglich früh morgens beim Zeitungsholen eine Liftfahrt aus dem fünften Stock nach unten ein. Aufwärts klappt’s noch nicht so mit dem zu Fuss gehen. Einmal täglich keuche stur treppauf, seit wir hier wohnen. Aber für mehr bin ich noch zu faul.
  • Ich separiere meine 30-Grad-Wäsche nicht mehr nach hellen, roten und blau/schwarzen Kleidungsstücken, sondern wasche kunterbunt alles miteinander. Meist nehme ich auch noch Sachen von Herrn T. dazu, damit die Trommel voll wird. Das habe ich früher nicht gemacht, wir hatten einen emanzipierten Haushalt, Herr T. machte seine Wäsche selbst. Ich füllte die Trommeln oft nur zu einem Drittel. Mit dem neuen Regime haben wir die verbrauchte Waschenergie wahrscheinlich um ungefähr ein Drittel reduziert. Farbunfälle gab’s bis jetzt keine.
  • Ich stelle alle meine Computer abends ab, und die Steckerleisten ebenfalls. Herr T. macht das auch beim Fernseher.
  • Wenn ich sehe, dass eine Lampe brennt, die wir gerade nicht brauchen, schalte ich sie sofort aus. Ich habe von Leuten gehört, die mit solchen Massnahmen ihren Verbrauch halbiert haben.
  • Ich habe einfach mal ein bisschen drauflos gespart. Herr T. war gründlicher und hat ein Gerät gekauft, mit dem er den Verbrauch eines jeden einzelnen Teils messen kann, das wir in die Dose stecken. Erfreulich: Mein Homeoffice verbraucht wenig Strom – lediglich um die 60 Watt, was gleich viel ist wie Grossmutters Lampenbirnen anno dazumal – und das mit zwei Monitoren.  Extrem sparsam sind die Lampenbirnen der neuesten Generation, sie verbrennen gerade noch 4 Watt pro Stück. Aber die unangenehme Überraschung: Die Design-Lampe in unserer Küche (ein Herzstück unseres Haushalts und täglich morgens und abends im Gebrauch) frisst nicht weniger als 122 Watt. Wir versuchen jetzt, sie nicht einfach  brennen zu lassen wie früher.

Ich dachte, solcherlei Sparübungen würden ein bisschen einschenken. Ich dachte, viele würden dasselbe tun wie wir. Aber am 19. September gab’s vom Bund Zahlen über den Stromverbrauch der Schweiz im August 2022: Er ist im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 1 Prozent gesunken.

Fieberträume auf der Zielgeraden

Auf meinem Nachttisch lag diese Karte aus einem Buch, das mir ein Nachbar geliehen hatte.
Bis Montag pilgerte ich täglich ins Kantonsspital zur Bestrahlung. Ich lag in einem leeren Raum auf dem Schragen, während seltsame Apparate um mich herum ihre Kreise drehten wie unbewohnte Planeten. Ich hatte erwartet, irgendwelche Strahlen zu sehen, eine Art Laser. Aber das ist natürlich dumm – ionisierende Strahlen sieht man ja nicht.

Einer der Planeten ist eine Halbkugel, deren flache Seite mit einer Glasscheibe bedeckt ist. Dahinter sieht man eiserne Zähne sich bewegen, als kaue dort ein grimmiges Felsenorakel etwas Unsichtbares. Ich habe immer hundert Fragen an das Orakel, wenn ich so daliege. Aber ich konnte sie nicht einmal in Worte fassen und sowieso nicht aussprechen. Egal, dachte ich. Ich bin auf der Zielgeraden. Bald bin ich nach bestem Wissen und Gewissen auskuriert. Ich ein neues Leben geschenkt bekommen – noch bevor ich richtig begriffen habe, dass ich eins brauche.

15 Termine sind es insgesamt, am Montag hatte ich den achten. Unter dem Orakel tat mir da schon der Hals weh, und gegen Abend stieg meine Temperatur. Dann kam eine eine jener Nächte, in denen man Väterchen Frost in den Gliedern spürt und glaubt, gar nicht zu schlafen und doch siebenmal dasselbe träumt. Der Bestrahlungstermin fiel ins Wasser, ich legte mich ins Bett und las, wenn ich konnte. Auf meinem Nachttisch lag die Karte aus einem Buch, das Nachbar Doppelbuddha mir ausgeliehen hatte.

Ich finde Fiebertage an sich spannend, sie machen seltsame Dinge mit dem Gehirn. Solange ich annehmen kann, dass nachher wieder alles gut ist, gebe ich mich gerne dem Delirium hin, das sich so ab 38.8 Grad Celsius bei mir einzustellen pflegt. Gegen Abend spürte ich Flammen aus meinen Knochen gegen das Duvet züngeln und alles tat weh und ich dachte: „Jetzt strecke ich mich aus und lasse mich vom Tod wegtragen.“ Ich probierte zehn Minuten lang aus, ob das tatsächlich möglich wäre, dann drehte ich mich um und erblickte auf dem Nachttischchen das Bild, das mir diesen albernen Gedanken überhaupt eingeflösst hatte. Ich stand auf und machte mir ein Neocitran. Danach ebbte das Fieber ab.

Am nächsten Tag ging ich ins Covid-19-Testzentrum. Und siehe da: Ich war positiv. Die Bestrahlung fällt somit bis Montag ins Wasser. Aber jetzt huste ich nur noch ein bisschen. Und ich kann wieder Dinge in Wort fassen. Alles wird gut.

Kalter Krieg?

Es sieht so ganz so aus, was würde der Westen nun gar kein Gas mehr aus Russland bekommen. Die Begründung der Gazprom sieht vorgeschoben aus. Ich meine: So ein Ölleck müsste doch reparierbar sein. Ich vermute, ist sehr viel einfacher: Russland behandelt den Westen so, wie man im Geschäftsleben einen Feind behandelt, dem man nicht einmal mehr die Wahrheit anvertrauen will: Man tischt ihm faule Ausreden auf.

Ich will damit keinesfalls sagen, dass ich das russische Vorgehen gutheisse. Ich will damit nur sagen: Wir sollten uns an die Vorstellung gewöhnen, dass wir einen mächtigen und gefährlichen Feind haben. Wir sollten uns darauf einstellen, dass der Ausdruck „Kalter Krieg“ im kommenden Winter ein ganz neue Bedeutung bekommen könnte.