Mit jungen Leuten in London

London, etwas ungewohnt: Blick auf das Royal Victoria Dock von der Fussbrücke aus. Der Spaziergang dorthin war lang, aber das schaffte Tim mit einem Lächeln.

Vor ein paar Tagen trafen Herr T. und ich zufällig meinen Gottenbuben Tim in der Stadt. Als er uns sah, breitete sich ein spontanes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Erst von da an war ich sicher, dass ihm (18) und seiner Schwester Mina (22) unsere gemeinsamen Tage in London gefallen hatten. Zuvor hatte ich meine Zweifel gehabt. Denn Tag 1 begann mit einem Desaster. Aufgrund wenig sorgfältiger Recherchen war ich der Meinung, beim St. James‘ Palace finde jeweils auch am Dienstag eine Wachablösung statt. Dies erwies sich als Wunschdenken. Bis wir es merkten, hatten wir für ein paar müde Reiter eine Stunde auf dem Kiesplatz vor dem Palast ausgeharrt. Danach manövrierten wir uns durch wahre Völkerwanderungen zum Buckingham Palace, zum Big Ben und schliesslich zum London Eye. Tim guckte gelangweilt, gelegentlich sogar gequält. Immerhin: Die Fahrt im London Eye war für uns alle ein Highlight.

Am Tag 2 versuchten es Tim und Mina nochmals mit der Wachablösung. Wir Alten ersparten uns das Gedränge vor dem Buckingham Palace. Ins Getümmel von Mme Tussauds stürzten wir uns dann aber alle gemeinsam. Ich war zum allerersten Mal dort, trotz zahlreicher Aufenthalte in London. Ich hatte das Getue um ein paar Wachsfiguren nie verstanden und in meinen jungen Jahren in London mein weniges Geld lieber für anderes ausgegeben. Aber als ich dann erst mal im Kabinett drin war, fand ich das alles sehr erheiternd und knipste auch selber ein bisschen.

Herr T. quicklebendig, die Damen Judy Dench (links) und Helen Mirren etwas wächsern.

Tim machte den ganzen Tag über ein freundliches Pokerface. Er und Mina behandelten uns mit nachsichtigem Respekt, als wären wir von der heutigen Zeit etwas abgehängte, ältere Leute. Dennoch fand ich einen guten Draht zu Mina, die ich bald mit wichtigen Aufgaben betraute: Kartenlesen (sie ist Orientierungsläuferin) und Auskünfte einholen – meistens verstehe ich bei Hochbetrieb ja nicht mehr, was Leute zu mir sagen. Sie machte ihre Sache hervorragend. Danach spazierten wir durch den Regent’s Park und dem Regent’s Canal entlang bis zum Camden Market. Später sagte Tim, ihm hätten die Parks besonders gut gefallen.

Am Tag 3 gingen wir auf Oligarchen-Tour. Über meine Londongrad-Recherchen habe ich hier ausführlich berichtet. Ich hatte sie zu einer etwa dreistündigen Tour kondensiert: Start in Stamford Bridge Stadion, dem einstigen Wirkungsort von Roman Abramowitsch, Ex-Besitzer des FC Chelsea. Das kam gut an bei Tim, er mag Fussball und konnte zusätzlich Informationen beisteuern. Dann eine Busfahrt (für uns alle ein spezielles Abenteuer) zum Kaufhaus Harrods, das vor Luxus überschäumt. Lustigerweise interessierten sich die beiden Youngsters besonders für das Schaufenster des Liegenschaftenhändlers auf der anderen Strassenseite, wo sie angeregt über die Preise von Wohnungen diskutierten. Sie wollten ausdrücklich den so genannten Roten Platz (Eaton Square) sehen, wo zahlreiche Oligarchen wohnen oder gewohnt haben. Nach einem Blick auf One Hyde Park, wo ein ukrainischer Oligarch ein Penthouse besitzt, bogen wir in die Kensington Gardens ein, wo es Lunch gab. Wir schlossen mit einem Abstecher zum Kensington Palace, in dem Lady Diana einst wohnte. Tim wollte die tragische Geschichte der Prinzessin hören. Er hatte sie noch nicht gekannt. Unvorstellbar.

Herr T. hatte grosse Pläne für Tag 4. Seine Stadtführung in den Docklands hatte er sorgfältigst vorbereitet. Mina war nicht mit von der Partie, wir waren zu dritt: vom Canary Wharf bis zum Greenwich Foot Tunnel, einem Fussgängertunnel unter der Themse, der immer wieder einen besonderen Kitzel hat.

Am Canary Wharf

Mittagessen bei der Cutty Sark in Greenwich, wo es zahlreiche Street Food Restaurants gibt. Sehr spannend, das alles, sagte Tim. Dann zum O2-Stadium und mit der Gondelbahn wieder auf die Nordseite der Themse. Wir warfen einen letzten, etwas wehmütig gestimmten Blick von der Fussbrücke auf das wahrhaft majestätische Royal Victoria Dock, über das die Flugzeuge im Landeanflug auf den London City Airport ziehen. Die Themse-Barrier, nur zwei weitere Kilometer von dort entfernt, wollte Tim dann nicht mehr unbedingt sehen, möglicherweise aus Rücksicht auf mich. Ich war restlos erschöpft. 12 Kilometer Fussmarsch.

Am nächsten Tag reisten die beiden Youngsters weiter nach Norden. Herr T. und ich bestiegen den Eurostar Richtung Paris.

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