Schwerhörig mit fünf Leuten essen gehen

Als Schwerhörige habe ich grosse Mühe damit, in einem vollen Restaurant ein Gespräch zu führen. Ich habe erst recht Mühe, mit sechs Bekannten am selben Tisch im vollen Restaurant zu sitzen. Zuerst muss ich jeweils sicherstellen, dass ich mit dem besseren Ohr zur Tischgesellschaft platziert bin. Der Rest, also zuhören, ist oft: Mühe. Manchmal ist man dann auch noch die einzige mit gesundheitlichen Problemen und spüre wenig Verständnis. Ich nehme an solchen Anlässen deshalb nur dann teil, wenn es nicht anders geht. Oder wenn ich mir Hoffnung machen kann, dass dabei auch etwas Freude für mich herauskommt.

Das Treffen letzte Woche auf der Melchsee-Frutt erfüllte meine Hoffnung voll und ganz. Nicht nur waren die Gespräche mit den alten und den neuen Freundinnen und Freunden heiter und klug. Die Freunde waren offen für alle erdenklichen Themen, sie waren respektvoll, ja, hilfsbereit! Was es an Mühe gab, wurde durch Freude mehr als aufgewogen. Gewiss hatte es auch damit zu tun, dass die anderen selbst nicht mehr ganz jung sind und erste gesundheitliche Rückschläge erlebt haben. Aber nicht nur. Sie haben eine wunderbare Kultur des Aufeinander zu Gehens.

Überhaupt: Es war ein schönes Erlebnis, ich lächle rückblickend, bin allen sehr dankbar, für alles! Und ich hoffe, dass ich auch gute Gesellschaft war.

Glücksmoment in den Bergen

Auf Melchsee-Frutt

Wenn wir im Winter auf der Melchsee-Frutt waren, habe ich immer davon geträumt, einmal mit Schneeschuhen den Gumm zu ersteigen und dann den weiten Hang hinunter Richtung Tannalp zu schreiten. Weg von den vertrauten Fusswegen, ein kleines Stück hinein in die Wildnis. Auch wenn gut vorgespurt ist und bei schönem Wetter täglich ein paar Dutzend Leute dasselbe tun – für mich wäre es eben doch ein Abenteuer gewesen. Aber Herr T. fuhr lieber Ski und allein hatte ich Schwindelpatientin mich nicht getraut. Diesmal waren wir zu fünft. Bei der rosarot bewegweiserten Abzweigung nahmen wir den Aufstieg.

Das erste Drittel ging tiptop. Nach dem zweiten hätte ich gerne aufgehört. Aber wir nahmen das letzte auch noch, die sportliche Kollegin G. uns anderen weit voraus.

Zuoberst eine Aussicht zum Frohlocken! Hinter uns die Wellen, über die wir uns heraufgemüht hatten. Vor uns die Felsklippe hinunter ins Gental im Berner Oberland, eine neue Welt. Aber nicht zu weit nach vorne gehen! Der Schnee auf Felswänden kann abbrechen, dann droht ein Sturz in gähnende Tiefen.

Wir drehten nach links, zum Abstieg: Hach, er übertraf meine kühnsten Träume! Dieser Blick in die verschneiten Hügel! Langsam in die weiche, weisse Weite schreiten, sachte bohren sich die Zacken der Schneeschuhe bei jedem Schritt in den sonnenwarme Pfad. Die vom Letrozol doppelt schmerzenden Knie werden kaum belastet. Einer dieser Momente, in denen man nicht sicher weiss, ob man lieber vorwärtskäme oder hofft, dass er ewig dauern möge.

Schweizerdeutsch 25: Blöde Schneeschuhe!

schtürchle (v)

Standarddeutsch: stolpern

Quelle: nuduss.ch

Vor zwei Tagen mieteten wir Schneeschuhe, um hinaus in die verlockenden, blauweissen Weiten zu schreiten. Wir waren zu fünft. Aber blöd: Ich schaffte es nicht, die Gehhilfen selbst anzuziehen. Vor ein paar Jahren hatte ich es einmal fertiggebracht, die Plastikriemchen im Alleingang richtig festzuzurren und einen Spaziergang mit den Dingern zu machen. Aber jetzt?! Jetzt sind meine Knie gstabig, mein Gleichgewichtssinn unzulänglich und im Durcheinander von Riemchen, Löchern, Noppen und Schnällchen verlor ich den Überblick. Kollege C. musste mehrmals niederknien, um mir zu helfen. Als wir loszogen, hing mir immer noch ein Plastikstreifen aus dem linken Schuh und schlenkerte vor den rechten Fuss. Ich stürchelte und konnte mich gerade noch mit dem Stock auffangen. Zum Glück konnte C. auch dieses Problem beheben. Denn danach wurde es richtig, richtig herrlich!

Der Mississippi-Mythos

Ungefähr so sieht der Mississippi in meiner Erinnerung aus (Quelle: www.nature.org)

Allen herzlichen Dank für die Kommentare zum Mississippi-Beitrag von gestern! Nicht nur Christiane Rösinger und ich sind der Mississippi-Magie verfallen, so viel ist nun klar! Ja, Mississippi ist ein wohlklingendes Wort – deshalb und aus vielen anderen Gründen wurde der Ol‘ Man River wohl so oft besungen, ist einer der ganz grossen Mythen der USA. Er ist der alte Mann, der immer weiterfliesst, von der leidvollen Maloche der Schwarzen an seinem Ufer völlig unbeeindruckt. Ein Symbol für die Gleichgültigkeit der Natur gegenüber den Menschen, für Dauerhaftigkeit und ewige Veränderung zugleich.

Auch per Whatsapp habe ich eine Rückmeldung mit Lieblingssong bekommen: „The River“ von Bruce Springsteen. Auch ich hätte „The River“ als meinen zweitliebsten Mississippi-Song bezeichnet. Ironischerweise ist der titelgebende Fluss aber wohl nicht der Mississippi, sondern der Conemaugh River in Johnstown, Pennsylvania. Doch egal: Auch der Conemaugh River mündet in einen Fluss, der im Mississippi mündet. Auch hier: Der Fluss als Ort, der bleibt, der einen sein ganzes, unerfülltes Leben lang an die Träume erinnert, die man einst hatte.

Mein meistgeliebter Mississippi-Song ist aber „When the Levee Breaks“. Von Led Zeppelin zur verstörenden Rock-Apokalypse gemacht (hier der Link zum Song), handelt es sich eigentlich um einen Blues-Klassiker aus den 1920er-Jahren (hier die Version von Memphis Minnie von 1929). Er erinnert an die grosse Flut im Mississippi-Delta im Jahre 1927. „Die ganze Nacht sass ich auf dem Deich und habe geklagt. Wenn der Deich bricht, haben wir kein Zuhause mehr.“ Man denkt in diesen Tagen an Österreich, an Italien, an Polen.

All diese Songs höre ich heute leider nur noch als sinnlosen Geräuschbrei. Aber ich erinnere mich an einen Tag Anfang Juli 2005, als Herr T. und ich von New Orleans nach Chicago flogen. Herr T. liess mich am Fenster sitzen, und so sah ich unter mir den Mississippi wie eine silbrig-braune, riesige Schlange, die sich durch ein rötliches Amerika wand. Das ist meine eigene Teilhabe am grossen Mississippi-Mythos.

Aber je länger ich darüber nachdenke, desto besser verstehe ich, dass Stefanie Sargnagel simple Teilhabe am Mississippi-Mythos zu billig ist. Dass sie sich nicht erheben lassen und dabei übersehen will, dass im Grunde alles ganz anders ist. Dass die USA ein ziemlich kaputtes Land sind.

Warum nur finden manche den Mississippi magisch?

Vor ein paar Jahren machte ich mit meiner Freundin Helga in Deutschland einen Ausflug nach Speyer. Sie zeigte mir den goldenen Hut im Museum, dann schlenderten wir zum Auto zurück. „Dort hinten liegt der Rhein“, sagte sie beiläufig. Ich sofort: „Oh, da will ich unbedingt hin!“ Sie sah mich befremdet an. „Da gibt es aber nicht viel zu sehen“, meinte sie. „Das ist einfach ein Fluss.“ Ich grinste: „Du bist kein sehr reisefreudiger Mensch, oder?“ Ich gab keine Ruhe, bis wir am Rhein standen und ich die Hand ins Wasser getaucht hatte. Mich beglückte die Vorstellung, vielleicht einen Tropfen am Finger zu haben, der 350 Kilometer flussaufwärts durch meine Heimatstadt Luzern geflossen war. Denn durch meine Heimatstadt fliesst die Reuss, und die wiederum mündet bei Brugg im Aargau in die Aare – und die wiederum etwas weiter nördlich in den Rhein.

Die Episode ging mir durch den Kopf, als ich „Iowa“ von Stefanie Sargnagel las. Die 38-jährige Autorin schildert darin ihren „Ausflug nach Amerika“ mit der Musikerin Christiane Rösinger im Jahre 2022. Zunächst sitzen die beiden in einem Unort namens Grinnell fest. Aber dann werden sie eines Autos habhaft, und plötzlich tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf. Bei näherer Betrachtung klingen allerdings auch diese Möglichkeiten recht banal, halt das, was die Touristin so macht. Bis die Idee auftaucht, an den Mississippi zu fahren. „Mit einem Mal verklärt sich Christianes Blick“, schreibt Sargnagel (S. 137). „Etwas ist entfacht“ bei der Freundin. Stefanie erwidert trocken: „‚Ok, dann machen wir Mississippi, ist notiert.'“

Das tun sie dann auch. Sie erreichen den Strom bei Dubuque im Staate Iowa. Dort ist Christiane „glücklich und streckt ihre Nase in den Wind“. Stefanie dagegen findet alles hier „zubetoniert und deprimierend“ und hat auch noch Menstruationsschmerzen. Sie reisst sich dann aber zusammen und erzählt eine magische Anekdote über Christiane und den Fluss und die Pelikane am Fluss, die sie vielleicht gesehen haben und vielleicht auch nicht. Warum nur fühlen manche Menschen den Sog, den nur schon der Name eines Flusses haben kann und manche nicht?

Stefanie Sargnagel: „Iowa – ein Ausflug nach Amerika“, Rowohlt Verlag, 2. Auflage, 2024

Ein Geschenk von Herrn T.

Ich habe oft über Herrn T.’s Grossvater nachgedacht. Sie nannten ihn Fred Feuerstein, und er starb, lange bevor ich meinen Mann kennenlernte. Fred war ein Deutscher in der Schweiz, der 1942 mit Ehefrau und Tochter nach Grossdeutschland auswanderte. Was mag ihn dazu bewogen haben? War er ein begeisterter Nazi oder ein Opportunist mit selektiver Wahrnehmung? War er auf der Flucht vor Schweizer Gläubigern oder einfach glücklich über die Traumstelle im Tirol? Was dachte er über die Menschen, die in Zügen nach Osten aus Deutschland verschwanden? Wie kann man so in die Irre gehen wie Fred Feuerstein in die Irre ging?

Kaum war er in Österreich, wurde er eingezogen. Er landete als Fahrer im besetzten Frankreich. Von dort aus schrieb er Briefe an Frau und Tochter. Sie geben kaum Antworten auf meine Fragen. Aber sie erzählen – trotz gelegentlicher Interventionen der Reichszensurstelle in Berlin – viel über sein Leben als Wehrmachtsoldat in der Bretagne. Wir wollten in Frankreich seinen Spuren folgen, verloren aber den Elan dafür. Ironischerweise führte mich jedoch der Zufall genau in seine Fussstapfen, als ich mich in Plouharnel verirrte. Denn in diesem Dorf am Meer war Fred am Schluss stationiert. Daran erinnerte ich mich aber erst wieder, als Herr T. mir ein Geschenk machte, alle meine alten Blogbeiträge über seinen Grossvater sammelte und in seinen Blog stellte. Hier nachzulesen.

Ende Ferien – und jetzt?

Am Abend des 5. Juli kehrten wir aus den Ferien zurück. „Ich hoffe, dass ihr noch lange von diesem Aufenthalt hier zehren könnt“, schrieb meine Schulfreundin Mélanie aus Frankreich. Ihre Tochter hat einen Studienplatz, ich bin stolz auf die junge Frau, obwohl ich sie nur als kleines Mädchen kennengelernt habe. Und ich habe von dieser Reise gezehrt, habe mich mit Schreiben abgelenkt vom Horror in den USA. Mein bretonisches Epos hat mir Freude gemacht. Viele Erlebnisse haben erst in der Erinnerung und beim Nachrecherchieren Sinn und Kontur bekommen.

Auch Herr T. hat unsere Bretagne-Reise „verbloggt“, hier der Link. Herr T. gibt einen ruhigen und sorgfältig gestalteten Überblick über unsere Reise – und er hat tolle Bilder. Bei unserer Reise wurde auch offenkundig: Er ist fitter als ich. Seine Kräfte überschäumen beim Reisen; meine reichen oft nicht mehr an meine Neugier heran. Wir beide müssen lernen, damit umzugehen.

An meinem dritten Arbeitstag wurde das heisse Sirren in meinen Ohren zu einem Hörnachlass. Man weiss nicht, woher das kommt. Von Stress? Von den hier in der Schweiz deutlich höheren Temperaturen? Dass ich das Sirren in meinem Kopf in St. Malo als Warnung wahrnahm, könnte seine Berechtigung haben. Ich habe mich seither wieder erholt, glaube ich jedenfalls, aber leichte Schwankungen bleiben.

Quiberon: Glanz und Elend

Aus dem Film „Drei Tage in Quiberon“, Romy Schneider, gespielt von Marie Bäumer. Foto: Peter Hartwig.

1981 soll Romy Schneider hierhergekommen sein, um sich zu erholen. Drei Tage in Quiberon heisst der Spielfilm über diese Auszeit. Der Streifen thematisiert ihr Elend mit den Medien und den Menschen. Das Hotel, in dem der Film spielt, liegt auf der Südseite der Fast-Insel*. Dort ist es relativ windstill und das Meer wirft seine Wellen träge gegen die Strände. Man pflegt an diesem Küstenabschnitt einen eigenartigen Gegensatz: Die Hotels sind für gut Betuchte. Die drei, vier Klippen zwischen den Stränden jedoch befassen sich mit dem Scheitern. Ihre Namen erinnern an Schiffbrüche. Die Pointe Carl Bech etwa ist nach dem gleichnamigen norwegischen Schiff benannt, das 1911 mit einer Ladung Guano aus Peru vor Quiberon auf Grund lief.

Richtig wild ist das Meer auf der Westseite der Halbinsel. Dort donnert die Brandung ohne Unterlass gegen zerklüftete Felsen. Dorthin wollte ich an unserem ersten Tag in Quiberon. Auch ich benötigte Erholung. Ich war erschöpft bis zur Weinerlichkeit und fühlte mich auf merkwürdige Art meiner selbst beraubt. Bis zur Côte Sauvage war es nur ein paar Schritte von unserem Hotel. Gerade richtig, um aus dem Zimmer herauszukommen. Am Anfang stemmte ich mich gegen die Böen, weil man sich halt gegen Böen stemmt. Das Naturschauspiel interessierte mich wenig. Aber dann kamen wir an die Stelle, wo zwei Männer aus Quiberon ihr Leben verloren beim Versuch, zwei „imprudents“ zu retten, die sich zu weit auf die umtosten Felsen hinausgewagt hatten. In mir regte sich etwas wie Empörung gegen diese Unvorsichtigen. Und dann kam diese blaugrüne Bucht, wo wir zuschauten, wie sich die Flut Woge für Woge über Sand und Steine hocharbeitete. „Hätte Romy Schneider nur hierherwandern können! Das hätte ihr bestimmt gutgetan“, dachte ich. Ich jedenfalls fühlte mich erfrischt und wieder wie ich selbst.

*Presqu’île, also Fast-Insel, ist das neckische französische Wort für eine Halbinsel. Quiberon ist tatsächlich eine Fast-Insel, denn der Ferienort ist nur durch eine schmale Sandbank mit dem Festland verbunden.

Plouharnel: Der Mann an der Bushaltestelle

Die letzten Tage unserer Reise verbrachten wir in Quiberon. Von dort aus besuchten wir die 7000 Jahre alten Steinreihen in Carnac. Sehr eindrücklich. Unvergessen ist aber auch die Rückreise im Bus. Wir mussten in Plouharnel an einem Kreisel umsteigen, Wartezeit: 1 Stunde 25 Minuten. Eine Fahrt im Auto auf dieser Strecke dauert ohne Stau 18 Minuten. Es war noch Vorsaison, da fahren nicht so viele Busse. Der Bahnhof war 500 Meter vom Kreisel entfernt, man hätte zu Fuss dorthin gehen können, aber es fuhr ohnehin gerade kein Zug. „Oui, c’est n’est pas tres bien organisé“, sagte ein älterer Mann, der denselben Plan hatte wie wir. Er trug helle, saubere Kleider und eine fleckige Spiegelbrille. „Und den Zug nehme ich sowieso nicht“, sagte er, „der ist ja 5 Euro teurer als der Bus! Das kann ich mir nicht leisten.“ Er setzte sich auf die Bank im Plexiglas-Bushäuschen und schickte sich an, in aller Ruhe anderthalb Stunden zu warten.

Herr T. ging auf der anderen Strassenseite einen Cidre trinken, ich in Plouharnel spazieren. Ein malerisches Dorf mit winkligen Gassen. So kam ich zwar kurz vor Abfahrtszeit des Busses wieder aus dem Dorf heraus. Aber nicht, wie erwartet, am Kreisel mit der Bushaltestelle. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Nur, dass da ein anderer Kreisel war. Ich fragte jemanden nach der Busstation, wurde in eine Richtung gewiesen, eilte los, kam zum nächsten Kreisel – auch dort keine Bushaltestelle.

Was, wenn wir den Bus verpassten?! Was, wenn ich die Haltestelle nie finden würde und Herrn T. auch nicht mehr?! Ich meine, ich kann ihn nicht einfach mal schnell anrufen. Ich bin hochgradig schwerhörig, verdammt! Mein Herz klopfte, ich rannte kopflos nach links aus dem Kreisel. Da sah ich schon in der Ferne den nächsten Kreisel – und dort endlich ein Plexiglashäuschen … aber auf der falschen Strassenseite!

Doch dann sah ich im Häuschen den alten Mann mit der Spiegelbrille. Er hatte sich kaum bewegt, während ich panisch im Kreis herum gerannt war.

 

Lieblingsort: Quimper

Es gibt Orte in Frankreich, die nicht perfekt sind, nicht gepützelt und schon gar nicht protzig. Aber sie haben Charme, und ein paar wenige von ihnen fühlen sich so blütenleicht und duftig an, als hätte die Hand der Liebe sie eben erst berührt. So ein Ort ist die Stadt Quimper – und das schreibe ich, ganz ohne von einem Tourismusbüro gesponsert zu werden. Quimper hat ein Flüsschen mit vielen, kleinen Brücken; eine Altstadt mit Fachwerkhäusern; eine Kathedrale und viel Grün. Ein guter Ort, um einzukaufen oder zu flanieren. Es locken Kleiderboutiquen, geschmackvolle Souvenirläden, eine Markthalle mit Fisch, Gemüse und Käse und Konditoreien, deren Schaufenster übervoll mit Backwerk sind.

Kleine Bar, gleich neben Chez Max Bouillon

In der Altstadt gibt es in den Restaurants fast nur die beiden bretonischen Ur-Spezialitäten zu essen, Crêpes und Galettes. Lieber empfehle ich zwei Lokale mit dreigängigen Mahlzeiten, die wir zufällig fanden: Auf dem Weg zum Viertel Locmaria, berühmt für seine Porzellanmanufakturen, fanden wir das Resto à vins und assen dort ein köstliches, recht preiswertes Mittagsmenü. Und Chez Max Bouillon tafelt man zu ebenfalls moderaten Preisen mit dem Mund, dem Auge und dem Herzen. Max Jacob, Namenspatron des Lokals, war Bürger von Quimper, Gourmet, Avantgardist, Trauzeuge bei Pablo Picassos erster Heirat und starb als Jude 1944 in Nazi-Gefangenschaft. Das Restaurant liegt in einem lauschigen Altstadtwinkel nahe beim Fluss.

Benediktinerinnen-Garten in Locmaria

Meinen absoluten Lieblingsort aber fand ich bei einem Sonntagspaziergang am Fluss bei Locmaria. Ich war in melancholischer Stimmung, erschöpft von unseren Expeditionen am Meer und suchte Ruhe. In Locmaria gibt es auch ein altes Benediktinerinnenkloster mit einem öffentlichen Garten. Er ist etwas verwildert, aber sorgfältig beschriftete Tafeln erklären die Heilwirkung verschiedener Pflanzen (wenn auch nicht jene des Schlafmohns im Bild).