Wiedersehen mit Judith Butler

Pünktlich zum Tag der Frau habe ich gestern angefangen, „Das Unbehagen der Geschlechter“ von Judith Butler wieder zu lesen. Für alle Nicht-Feminist*innen muss ich vorausschicken: Dieses Buch ist so etwas wie das Evangelium des zeitgenössischen Gender-Feminismus. Es ist aber in einem schwer verständlichen philosophischen Jargon gehalten. Wenn ich jetzt über meine Wieder-Lektüre auch noch blogge, dann laufe ich Gefahr, mich zur Närrin oder zur Zielscheibe von Trans-Aktivist*innen zu machen. Ich tue es trotzdem, jedenfalls, so lange ich Lust darauf habe. Ich will das Buch jetzt verstehen. Auch, um meinen Ort in einem Feminismus zu finden, der Frauen wie mich, (heterosexuelle Cis-Frau, Jahrgang 1965, hochgradig schwerhörig) in an Schusswaffen erinnernden Akronymen wie „Flintaq*“ verschwinden lässt. Bloggen hilft mir, meine Gedanken zu ordnen. Ich diskutiere gerne und akzeptiere auch Widerspruch – wenn er die Grenzen des Anstandes nicht überschreitet.

In meinen jungen Jahren habe ich das 1990 publizierte Buch glattweg abgelehnt. In einem Kreis von Butler-Interessierten (mehrheitlich mit den neusten akademischen Trends vertrauten Männern), diskutierten wir 1996 Butler’s angebliche These, dass das biologische Geschlecht gar nicht existiere. „Das ist doch Bullshit“, sagte ich, „Es ist doch leicht zu sehen, dass die meisten Menschen entweder Frauen oder Männer sind.“ Mein biologisches Geschlecht schien mir nicht nur Quelle unbändiger Lust, sondern auch spezifischer Schwierigkeiten im Alltag zu sein. Wie kann man so etwas in Abrede stellen? Die Versammelten wiegten nachdenklich die Köpfe.

Selbst gelesen habe ich Butler erst später und, ja, ich kam dabei zur Überzeugung, die Autorin löse das biologische Geschlecht in einem Wust von Sprache auf.  Erst kürzlich hat mir jemand gesagt, nein, das stimme so nicht. Butler habe neulich eben beteuert, dass sie das sie das Vorhandensein das biologischen Geschlechts eben nicht in Abrede gestellt habe. Sie meine das mit dem Geschlecht vielmehr so, wie es hier sehr gut nachvollziehbar erklärt ist.

Um herauszufinden, wie es wirklich ist, habe ich mir die deutsche Ausgabe vorgeknöpft: „Das Unbehagen der Geschlechter – Gender Studies“, Edition Suhrkamp, 1991. Das englische Original wäre mir denn doch zu anstrengend.

3 Gedanken zu „Wiedersehen mit Judith Butler“

  1. Ho, ho, ho.., Frau Froggblog, ein echtes Minenfeld, aber hochinteressant. Vielen Dank für den weiterführenden Link.
    Als Mann, der sich in seiner kulturellen Zuschreibung stimmig fühlt und dennoch keinen Zweifel daran hat, das andere Menschen damit ein Problem haben, kann ich zum konkreten Thema wenig schreiben. Zu den Themen gesellschaftliche Minderheiten, Ordnungen, Veränderungen…. würde mir schon mehr einfallen, die nach meiner Meinung in den Gesamtdiskurs hineingehören.

    Wir Menschen, so glaube ich, brauchen Ordnungen. Die Rollen von Mann und Frau sind, so glaube ich weiter, evolutionär gewachsen. Ganz pragmatisch, aufgrund der unterschiedlichen Konstitution, mit Vor- und Nachteilen sowohl für Mann als auch für Frau, die, im Saldo gerechnet, möglicherweise einem gerecht verteilten Ausgleich nahekommen könnten.

    Tiefe kulturelle Ordnungen brauchen m.E. nach für Veränderungen und Anpassungen ihre Zeit, einfach, weil sie sich nur über Generationen ausschleichen und neu justieren lassen. Und bis dahin denke ich, sollten wir uns intensiver in einem sorgsameren und rücksichtsvollen Umgang mit Minderheiten bemühen.

    1. Lieber Menachem, danke für Deinen vielsagenden Kommentar mit der präzisen Selbst-Einsortierung in die „korrekte“ kulturelle Zuschreibung. Ich bin sehr neugierig auf das, was Du bezüglich gesellschaftliche Minderheiten, Ordnungen und Veränderungen beizufügen hast und hoffe, dass sich irgendwann noch Gelegenheit ergibt, darüber zu diskutieren.

      Ja, ich glaube auch, dass wir Menschen Ordnungen brauchen. Wie weit die Rollen von Mann und Frau „evolutionär gewachsen“ sind, da gehen unsere Meinungen aber auseinander. Dass schon Veränderungen gab, bevor ich erwachsen wurde und später auch noch, darüber bin ich dem Westen zutiefst dankbar. Du darfst nicht vergessen: Ich bin in der Schweiz aufgewachsen. Wir Frauen hierzulande bekamen das Stimmrecht, also politische Subjekte sein zu dürfen, von den Männern dieses Landes 1971 „geschenkt“. Ich habe diesen politischen Vorgang als sechsjähriges Mädchen erlebt und glaube seither nicht mehr an den Weihnachtsmann, sehr wohl aber ans Patriarchat als Machtzentrale.

      Ja, ich glaube auch, dass Veränderungen ihre Zeit brauchen. Und der Kampf für Veränderungen kann auch in die Irre gehen. Deshalb bleiben wir wach, diskutieren, wagen uns manchmal auch auf Minenfelder und freuen uns, wenn uns jemand dorthin folgt 🙂

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