The Sound of Metal

Ruben ist eben ertaubt und hilflos – aber nur am Anfang. Da muss seine Freundin Lou noch für ihn telefonieren. (Quelle: guardian.co.uk)

The Sound of Metal ist ein feinfühliger Film über einen Menschen, der sein Gehör verliert. Ruben Stone (Riz Ahmed)  ist Drummer und gerade auf Tour, als er Gespräche plötzlich nur noch als fernes Glucksen hört. Wie befremdlich das für Betroffene tatsächlich klingt, ist im Film sehr gut dargestellt. (Jedenfalls, soweit ich das beurteilen konnte – ich bin selbst hochgradig schwerhörig und bekomme auch bei der besten Vertonung nie ganz mit, wie ein Film tönt). Der Film wechselt ab zwischen der in Filmen normalen Vertonung und der Darstellung von Rubens Hörerlebnis, auch als bei Ruben dann alles weg ist. Stille.

Was in einem Menschen in einem solchen Moment vor sich geht, ist überwältigend, aber schwierig sichtbar zu machen. Ich selbst habe nach den ersten, schweren Hörstürzen in meinem guten Ohr wochenlang Tränenströme vergossen, aber das hätte kaum bildschirmtauglich ausgesehen. Ruben hat einen oder zwei Wutanfälle und guckt sonst meist mit riesigen Augen verwirrt bis panisch um sich. Das sieht glaubwürdig aus. Seine Partnerin und Bandkollegin Lou (Olivia Cooke) muss ihm erst mal helfen, seine dringendsten Probleme zu lösen. Dann kommt er in eine Institution auf dem Land, wo er in einem Crash-Kurs in Gebärdensprache lernt und mit seinem neuen Ich ins Reine kommen kann. Aber er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, in sein altes Leben zurückzukehren.

Das Werk ist mehrfach preisgekrönt. Ich glaube daher, dass es auch Menschen etwas gibt, die sich herzlich wenig für Gehörprobleme interessieren. Erstens ist die Musik am Anfang abgefahren (soweit ich das beurteilen kann). Zweitens ist es ein Film über etwas, was jedem Menschen passieren kann: dass er etwas verliert, was ihm Leib und Seele zusammenhält. Drittens ist die Geschichte  aus Rubens Perspektive erzählt, und eins ist Ruben nie: ein armer Behinderter, einer von den anderen, einer, zu dem man auf Distanz gehen muss. In seiner neuen Umgebung findet er sich schnell zurecht. Er hat einen Plan, und er findet Mittel und Wege, ihn ins Werk zu setzen.

Dennoch habe ich Fragen an den Film. Erstens wird bei Rubens Eintritt in die Institution klar, dass er vier Jahr zuvor heroinsüchtig gewesen ist. Warum ist das relevant? Weil das Heroin mit ein Grund für die Ertaubung sein könnte? Weil der Film einen Protagonisten braucht, der schon vorher in einer prekären Verfassung war? Suchtprobleme als Folge von Schwerhörigkeit sind nichts Ungewöhnliches. Aber so wie sie hier daherkommen, als unerklärte, alte Geschichte, überzeugen sie mich dramaturgisch nicht. Zweitens frage ich mich, warum der Film genau an der Stelle endet, wo er eigentlich anfangen sollte: Als Ruben merkt, dass der Weg zurück in die Welt der Hörenden auch mit bester Technologie sehr schwierig wird.

Übrigens: Danke, Herr Hopkins

5 Gedanken zu „The Sound of Metal“

  1. Liebe Frau Frogg,

    ich habe Dir im Juli ein E-Mail an Deine GMX-Adresse geschickt. Ich hoffe, Du hast ihn zur Kenntnis genommen.

    Danke für die Erinnerung zum Film. Vor ca. drei Jahren wies mich eine Bekannte auf diesen Film hin, aber ich wusste nicht, wie ich den Film sehen konnte. Ich habe ihn auch bis heute nicht gesehen.

    Die Fragen zum Schluss sind interessant.

    1. Liebe Sori, danke für Deinen Kommentar. Nein, leider habe ich Dein E-Mail übersehen, und mittlerweile wurden die Juli-Eingänge von gmx automatisch gelöscht. Schade, sehr ärgerlich. Falls Du willst und es noch etwas bringt, melde Dich bitte unbedingt nochmals auf pfrogg@gmx.ch. Ich schaue in den nächsten paar Tagen mal ein bisschen öfter rein 🙂 Den Film kam am Schweizer Fernsehen, vielleicht ist er noch auf srf.ch auffindbar. Sonst DVD auf amazon.com?

      1. Liebe Frau Frogg, ich habe eben das E-Mail noch einmal verschickt.

        Leider kann ich hier in Österreich seit Anfang Juni 2019 kein Schweizer Fernsehen (sowohl SRF1 als auch SRF2) mehr empfangen, was sehr bitter ist.

        Kunde beim grossen A bin ich auch seit Jahren nicht mehr. Vielleicht wird der Film mal auf arte oder 3sat kommen.

  2. Liebe Frau Frogg
    Ich habe den Film nun gestern Abend auch geschaut und fand ihn sehr stark, auch das Ende. Man merkt (oder hört und sieht) dass er mit den Implantaten nur schlecht zu recht kommt. Er ist inmitten der lauten Gartenparty alleine, zieht sich zurück, weil er kaum etwas versteht. Niemand, auch Lou nicht, kann sich in seine Situation versetzten.

    Mir als stark schwerhöriger geht das meist ähnlich; bei vielen Menschen rundherum, auf Partys und dergleichen, muss ich alle 10 Minuten ein ruhiges Plätzchen suchen um eine zu rauchen. 😉

    Die Schlussszene mit dem Lärm draussen auf der Strasse, die scheppernde Kirchenglocke, alles ist verzerrt und ein einziges Chaos für Ruben, laut, schreiend und unerträglich. Die Erlösung am Schluss des Films, dass Ruben sich eigentlich nur noch nach Ruhe sehnt. Soundtechnisch ist diese Situation im Film sehr gut umgesetzt, wie auch zu Beginn, als er das Gehör verliert und alles nur noch dumpf und unverständlich ist.

    Klar könnte man hier am Schluss noch ansetzen, aber das wäre dramaturgisch recht schwer, hier die Geschichte noch „spannend“ weiterzuspinnen. Die Gewöhnung und dazugehörige REHA an ein Implantat (CI) dauert in der Regel Monate, bis man wieder ein einigermassen „normales“ Soundbild im Kopf hat. Bei vielen klappt das, bein manchen nicht, aber es ist gewiss kein schneller Weg, wie das der Film verkürzt darstellt und es wohl die Hoffnung von Ruben war.

    Sehr gut fand ich auch die Thematisierung, dass viele in der Gehörlosencommunity Implantate wehement ablehnen, weil sie sich eben nicht als behindert sehen, sondern ihre eigene Sprache und Kultur haben. Paul Raci, der Darsteller von Joe dem Leiter, fand ich sehr stark. Er ist selber ein CODA (Children of deaf adults), hörend, aber mit Gebärdensprache aufgewachsen.

    Die spannende Frage des Films bleibt am Schluss: wird Ruben sich an die Implantate gewöhnen und sein altes Leben leben? Oder wird er einen Weg in die Gehörlosencommunity finden, zurück in die Institution, wo er einige erhellende Momente fand und Seiten an sich, die er noch nicht kannte? Das ist das schöne an solchen Filmenden: man kann seine Fantasie walten lassen und die Geschichte weiterspinnen.

    1. Hoi Markus, danke für Dein engagiertes Votum zu diesem Film. Du bringst hier mehrere Punkte zur Sprache, die ich nicht erwähnt habe, weil ich nicht spoilern wollte ;-). Aber man kann natürlich nicht seriös über einen Film diskutieren, ohne zu spoilern, daher hier noch einige weitere Spoiler von mir: Wie Ruben mit Implantaten die Welt hört, habe ich einigermassen mitbekommen und fand an diesen Stellen die Vertonung auch sehr gut. Das klingt ungefähr so wie meine Hörgeräte, aber im Unterschied zu Ruben bin ich damit zufrieden. Ich bin ja auch nicht Musikerin, sondern will einfach ab und zu ein halbwegs normales Gespräch führen. Doch auch hier hat mich der Film erstaunt: Warum hat niemand Ruben gesagt, dass Implantate ihm sein altes Leben nicht einfach so zurückgeben werden? Ich meine: Das erste, was ich hierzulande über CIs gehört habe, war: „Pass auf, das ist ein langer Weg, und am Anfang wirst Du vielleicht gar nichts hören. Musik hören wirst Du wahrscheinlich auch mit CIs nie mehr.“ Sagen die Ärzte in den USA das den Leuten nicht, weil sie ihnen auf Teufel komm raus Implantate verkaufen wollen? („Patientenwohl?! Ach, was! Er wird dann schon damit zurechtkommen!“)

      Sehr dankbar bin ich für den Hinweis, dass Paul Raci (Darsteller des Heimleiters im Film) selbst CODA ist. Das wusste ich nicht, und es macht seine ohnehin starke Performance umso authentischer.

      Ich finde auch Deine Meinung über den Schluss des Films durchaus vertretbar. Das Trauma der plötzlichen Gehörlosigkeit und dessen Überwindung ist ja schon ein grosser Brocken. Auch finde ich es gut, dass eine Community gezeigt wird, in der Gehörlosigkeit als Normalität postuliert wird. Es gibt vielleicht Leute, die das romantisch finden, ich selbst kann mir nur schwer vorstellen, an einem solchen Ort zu leben. Aber es stellt immerhin die Frage danach in den Raum, was denn eigentlich normal ist. Nur ist das Drama sehr vieler hochgradig schwerhöriger und gehörloser Menschen halt einfach: Wir müssen (und/oder wollen) in der Welt der Hörenden zurechtkommen. Ich persönlich hätte mich gerne mit der Frage auseinandergesetzt, wie jemand wie Ruben das schafft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert