Carmen an der Abwaschmaschine

Sprechen wir also über die Kaffee-Ecke! An einem Vormittag letzte Woche fand ich dort eine zierliche Gestalt mit hell gesträhnter Mähne vor. Sie beugte sich mit dem Rücken zu mir über die Abwaschmaschine. Ach, der weiblich gelesene Mensch II, dachte ich. Aber manchmal besiegt mein spontaneres Ich meine Ressentiments. Es sagte freundlich: „Oh, hallo Carmen, Du bist also die tapfere Seele, die diese Abwaschmaschine ausräumt!“ Ich wusste, dass das Geschirr in der Maschine zwar sauber war – aber das Ding so voll, dass ich bei meinem vorherigen Besuch nicht genügend Zeit gehabt hatte, es auszuräumen. Dabei stapelten sich neu verschmutzte Tassen schon in der Spüle. „Kann ich Dir helfen?“ fragte ich.

Sie lehnte ab. Aber dann hatten wir eine nette Konversation über das viele Geschirr überall. Das ist schon wegen meiner Schwerhörigkeit nicht selbstverständlich. Und dann hatte ich ja auch noch Ressentiments, und die reichten bis zum Frauenstreiktag 2024 zurück. Damals, am 14. Juni, hatte ich als Frau und potenzielle Teilnehmerin am feministischen Streik mich in unserer Zeitung als „weiblich gelesener Mensch“ bezeichnen lassen müssen. Zuoberst im Frontkommentar! Ich war so wütend, dass ich an jenem Tag nicht einmal den Frontkommentar zu Ende las, geschweige denn den Rest der Zeitung. Ich beschwerte mich sogar bei der Autorin des Kommentars.

Ich meine: Die Abschaffung des generischen Maskulinums ist eine 40 Jahre alte feministische Forderung. Doch bei unserer Zeitung war dessen Gebrauch bis 2021 Vorschrift. In den zehn Jahren vor der Pandemie mogelte ich mich um diese Regel herum (warum, siehe hier). Ich war mir aber stets bewusst, dass unsere Hausregeln die Existenz des weiblichen Geschlechts in der Sprache eigentlich nur in Ausnahmefällen vorsah. Und nun werden wir Frauen schon wieder überfahren, erst noch von so genannten Feminist*innen! Sorry, aber da finde ich sehr wohl, dass man uns Frauen „etwas wegnimmt“!

An jenem Tag also begegneten mir in der Kaffee-Ecke Carmen Zimmerhäckel und ihre Kollegin, Marina Hartkiesel, beide junge Redaktorinnen. Seither heissen die beiden bei mir der weiblich gelesene Mensch II und der weiblich gelesene Mensch I. Denn an jenem Tag sprach ich sie an, vielleicht zum ersten Mal ohne äussere Notwendigkeit. Ich nahm all meinen Mut zusammennehmen und fragte: „Sagt mal, fühlt ihr Euch angesprochen, wenn man Euch als weiblich gelesene Menschen bezeichnet?“

Sie sahen mich an, als wäre ich vom Mars und von oben bis unten grün. Dann sahen sie einander an, lächelten, liessen beim Nicken ihr Frisuren wippen und sagten: „Ja.“

Kaffeepause

Ich brauche erst mal eine Pause vom Feminismus. Mein Hirn arbeitet an einem Statement mit dem Titel „Mein Standpunkt zur Genderfrage“. Aber noch muss ich für mich selbst ein paar Fragen beantworten. Danach werde den Text schreiben, jedoch andernorts veröffentlichen. Denn das hier ist meine persönliche Blog-Spielwiese, und so soll es bleiben.

Heute Morgen tappte ich als Erstes zum Tischchen im Wohnzimmer, zum Handy. Die Pushmeldung zur Eskalation des Krieges im Nahen Osten kam wenig überraschend. Sie hätte mich mehr alarmieren sollen als sie es getan hat. Mein innerer News-Seismograf hat sich verändert in den letzten Jahren. Erst mal Kaffee trinken, denke ich. Auf dem Weg in die Küche fällt mein Blick auf den Teller mit meinen selbst geernteten Kaffeebohnen.

Neulich habe ich die erste reife Kirsche vom Kaffeestrauch in meinem Wohnzimmer geerntet. Ich habe sie vorsichtig halbiert, das sah dann so aus.

Frisch geerntete und halbierte Kaffeekirschen, der Zweifränkler ist ungefähr gleich gross wie ein 2-Euro-Stück. Man sieht auf dem Bild weiss die Kaffeebohnen in der Mitte der Kirschen.

Danach habe ich das Fruchtfleisch von den weissen Kernen entfernt (und auch probiert, es schmeckt sirupig). Die Beere enthielt drei Kaffeebohnen.

Kaffeebohnen.

Nun wäre es der Plan von Tüftlerin Frogg, die zwei weiteren reifen Kaffeekirschen am Strauch zu ernten, die Bohnen freizulegen, sie zu rösten und auszuprobieren, ob sie dann tatsächlich schmecken wie Kaffee. Als ich jung war, habe ich solche Experimente gemacht. Aber im Moment kommt mir das sinn- und zwecklos vor. Lieber nehme ich eine Kapsel aus dem Schrank, mache mir einen Espresso und schreibe – wieder mal – einen Blogbeitrag.

Kaffeepflanze

Erstaunliche Früchtchen in Frogg Hall.

Es ist nun bald fünf Jahre her, dass wir an die Vrenelisgärtlistrasse zogen. Zum Wohnungswechsel bekam ich damals von einer Arbeitskollegin eine kleine Kaffeestaude geschenkt. Das Sträuchlein war dekorativ in eine Kaffeetasse gepflanzt. Ich spottete: „Wenn wir die ersten Kaffeebohnen ernten, lade ich Dich zu Kaffee und Kuchen ein.“ Ich ging davon aus, dass die Pflanze wachsen und Blätter tragen würde. Aber Früchte?! Das gibt’s doch nur in den Tropen.

Die Pflanze stand am Nordfenster und wuchs und trug Blätter und ist ein Süffel. Ich muss sie mindestens zweimal in der Woche giessen. Auch umgetopft wollte sie werden, mehrmals. Mittlerweile steht sie in einem Kübel mit 27 Zentimetern Durchmesser und ist 90 Zentimeter hoch. Genauer angeschaut habe ich sie selten, sie war halt einfach ein Blätterhaufen. Sie muss aber geblüht haben, denn vor etwa einem halben Jahr entdeckte ich zwei, drei kleine, blassgrüne Früchtchen an ihr. Ich jauchzte: „Schau mal Herr T.! Kaffeebeeren!“ Mittlerweile weiss ich, dass sie nicht Beeren, sondern Kirschen heissen und habe an einem Ast neue Blüten entdeckt. Nun habe ich neue Fragen: Was für ein Insekt befruchtet wohl diese Blüten? Waren es die Obstfliegen, gegen die wir ständig kämpfen? Wie weiss man, wenn Kaffeekirschen reif sind? Wie erntet man sie? Kann man sie lagern? Kann man sie selbst rösten? Wie viele Bohnen braucht es für eine Tasse Kaffee? Falls jemand mehr weiss: Bitte antworten!

Sex, Kaffee und der Klimaexperte

Simpel und praktisch: Die Bialetti-Kaffeemaschine (Quelle: blasercafe.ch
Meine Nespresso-Kaffeemaschine ist kaputt. Wir haben eine alte Bialetti in Betrieb genommen und diskutieren beim Frühstück über die Vorzüge und Nachteile verschiedener Kaffeemaschinen und des Kaffeetrinkens. „Kaffeetrinken ist ganz schlecht für’s Klima“, sagt mein Ehemann, der Klimaexperte. „Eine Tasse Kaffee verbraucht so viel CO2 wie ein Kilometer autofahren.“

Ach Gott, alles wird verboten, denke ich und maule: „Du Spielverderber! Ich habe doch damit gerechnet, dass das nach dem Fleisch als nächstes kommt! Wahrscheinlich kommt bald jemand und sagt: ‚Sex ist schlecht für’s Klima.'“

Darauf Herr T., ohne mit der Wimper zu zucken: „Sex ist nicht schlecht fürs Klima, aber Kinderkriegen schon!“

Ich lache schallend. Am Nachmittag finde ich auf der Suche nach einem Nachthemd bei C&A ein Teil mit dem Aufdruck: „This Girls Needs More Coffee“. Das kaufe ich sofort, auch wenn Konsumieren auch schlecht fürs Klima ist.